Vater Unser – eine Versuchung oder eine Prüfung?

10. Januar 2017 geschrieben von   Freigegeben in Matitjahu

ב"ה

„9 Unser Vater in dem Himmel! Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. 11 Unser täglich Brot gib uns heute. 12 Und vergib uns unsere Schuld, wie wir unseren Schuldigern vergeben. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen." Matitjahu 6,9-13

Die uns geläufige Übersetzung von Vater Unser ist ziemlich genau aber dennoch erscheint der Text schwierig, weil die Zeile "und führe uns nicht in Versuchung" etwas Widersinniges auszusagen scheint. Die Lösung ist im hebräischen Begriff NISSAJON נסיון zu finden, der beides bedeutet: 1. Versuchung; 2. Prüfung. Natürlich versucht HASCHEM niemanden, aber ER prüft, wobei ER die Prüfung nicht benötigt, um zu wissen, was der Mensch tun wird. Aber der Mensch weis es nicht, bis er in die entsprechende Situation kommt. Wir alle könnten bei der Fahrprüfung versagen, dann wollen wir eine zweite Chance, bereiten uns vor und gehen bewusst in die zweite Prüfung. Wenn ein Mensch gesündigt hat, ist es ähnlich - bereut der Sünder und tut Buße, so vergibt der Ewige, gelobt sei Er, und nach einer IHM bekannter Frist kommt der Mensch in eine Situation, wo er sich bewähren soll. Ist es eine Versuchung? Es ist eine Prüfung, aber aus der Sicht desjenigen kann die Situation als Versuchung erscheinen. Dies ist Vorsehung - HASCHGACHAH. Das Vater Unser ist im Grunde auf diesem Prinzip der Vorsehung aufgebaut.

Der Anfang und das Ende des Gebets ist der Lob Gottes, in der Mitte ist die Hauptsache:

"Tägliches Brot" - das ist die Bitte um Versorgung der Seele und des Körpers und

"vergib uns..." ist die Bitte um Vergebung nach dem Maß der Umkehr "wie auch wir vergeben...", verbunden mit der Einsicht, dass man eben nicht einsichtig sein könnte. Wenn das geschieht, dann ernten wir in der Regel, was wir gesät haben und es wird noch ärger als zuvor.

"Und führe uns nicht in Versuchung" - gerade in diesem Fall bitten wir um die unverdiente Gnade und die Vorsehung, damit man nicht in eine schlimmere Situation kommt. Wenn aber der Mensch immer noch nicht einsichtig geworden ist, so kann das ewige Leben gefährdet werden, darum bitten wir, HASCHEM möge auch in der schlimmsten Situation und ohne unseren Verdienst uns retten, darum

"sondern erlöse uns von dem Bösen". Wir vertrauen auf Seine Hilfe und anerkennen den Heiligen, gelobt sei ER, als den Allmächtigen König und Gerechten Richter, wie auch immer Seine Entscheidung ausfällt.