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Haftara zur Parascha Wajischlach

20. Februar 2012 geschrieben von   Freigegeben in Haftarot Prophetenlesungen

ב"ה

Obadja 1,1-21

Das Buch Obadja, geschrieben von dem gleichnamigen Propheten, ist das kürzeste von den 12 kleinen Propheten im Tanach. Es umfasst ein Kapitel mit 21 Versen.

Der Name Obadja bedeutet: Knecht, Diener oder Verehrer, Anbeter HaSchems.

Der letzte Vers des Buches Obadja wurde von den Weisen Israels in den Siddur aufgenommen. Am Ende des Liedes am Schilfmeer heißt es (Obadja 1,21): „Und Retter besteigen den Berg Zion, um den Berg Esaws zu richten, und des Ewigen ist das Königtum.“[1]Sie empfanden, dass mit der Anerkennung G-ttes der Triumph Israels über die, die sie auszurotten suchten, unbedingt verknüpft ist.

Die Verse 1-7 finden wir ebenfalls beim Propheten Jeremijahu im 49. Kapitel. Dies wirft zum einen die Frage nach der Beziehung der beiden Propheten und zum anderen die nach dem Wesen prophetischer Botschaften überhaupt, auf. Vertraut G-tt identische Botschaften zwei verschiedenen Menschen an, oder haben sie voneinander abgeschrieben? Moderne Gelehrte sind der Meinung, dass man diese Frage gar nicht beantworten kann. Anders jedoch sieht das der große Exeget Abrabanel[2]. Zunächst stellt er die These auf, dass nur auserwählten Propheten, wie Mosche Rabbenu, ihre Prophetien direkt von G-tt diktiert wurden. Die anderen bekamen eine Eingebung, die sie selber formulieren mussten. Konsequenterweise nahmen sie ähnliche Botschaften voneinander auf. Eine dementsprechenden Aussage finden wir auch im Talmud. Hier heißt es, dass R. Jitzchak sagte, dass vielen Propheten dieselbe Information offenbart wird, jedoch fassen niemals zwei Propheten sie in gleiche Worte. So sagt Obadja: Der Hochmut deines Herzens hat dich betrogen“ (Obadja 1,3), während Jeremijahu formuliert: „Deine furchterweckende Macht (Größe) und der Übermut deines Herzens haben dich verführt“ (Jeremijahu 49,16).[3] Propheten können ihr Material teilen, wenn sie sich aber in derselben Weise ausdrücken, dann ist das ein Zeichen dafür, dass sie keine Propheten sind. Wahre Prophetie muss die Einzigartigkeit ihres Vertreters belegen. Die Kreativität in der Formulierung ist ein Kennzeichen seiner Authentizität.

Biographie

Aus dem Buch Obadja selbst erfahren wir weder Chronologisches noch Persönliches über den Propheten. Um überhaupt etwas über den Propheten Obadja sagen zu können, berief man sich in rabbinischer Zeit auf das 1.Buch der Könige, in dem Obadja im 18. Kapitel als Untertan des Königs Ahab (ca. 875 bis ca. 852 v. u.Z.) genannt wird.[4] Demnach lebte er im Nordreich und es wird von ihm gesagt, dass er nicht jüdischer Abstammung, sondern ein Nachkomme Esaws, ein Ger aus Edom war. Ahab und seine phönizische Königsgattin Isebel regierten über die zehn Stämme, das Nordreich. Sie etablierten Götzendienst und wollten die Propheten Israels ausrotten. Obadja jedoch, riskierte sein Leben, um sie zu retten. Er versteckte in zwei verschiedenen Höhlen je 50 Propheten und ernährte sie von seinem eigenen Geld. Der Verdienst, der ihm daraus erwuchs, war die Fähigkeit, Prophetie wahrzunehmen.

Obadja starb jung und hinterließ zwei Kinder und Schulden, die seine Witwe abtragen musste. Der Prophet Elischa half ihr später durch ein Wunder, das ihr Öl nicht zur Neige gehen ließ, die Schulden zu begleichen.

Auf Grund der parallelen Aussagen im Buch Jeremijahu kann man auch davon ausgehen, dass beide Propheten über die gleichen Ereignisse prophezeiten. So gesehen ist der Kontext seiner Prophetie die Zerstörung Jeruschalaims und des ersten Tempels durch Nebukadnezar II., 586 v.u.Z.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass Obadja sich auf die Zeit der Hasmonäer, als der König der Makkabäer die Edomiter besiegte, bezieht.

Wahre Propheten geben in jeder Generation eine Antwort. Sicher ist, dass sich Obadjas Prophetie auf eine zukünftige Zeit bezieht, in der mit der Zerstörung Edoms schließlich die messianische Zeit anbricht.

Kernthema

Die besondere Fürsorge G-ttes für Israel und die Bestrafung der Edomiter, wie es im 10. Vers formuliert wird: „Um des Frevels willen, an deinem Bruder Jakob begangen, sollst du zuschanden werden und für immer ausgerottet sein.“

Aufbau des Buches

Vers 1 - 15: Gerichtsankündigung über Edom

Vers 16 -21: Vernichtung Edoms, Israels Wiederherstellung unter der Königsherrschaft G-ttes

Inhalt der Haftara

Obadja richtet seine Prophetie gegen Edom, einem der ärgsten Feinde Israels. Auf Edoms Arroganz und Missachtung Israels antwortet G-tt durch den Propheten: „Der Hochmut deines Herzens hat dich betrogen, weil du in den Felsenklüften wohnst, in deinen hohen Schlössern, und du sprichst in deinem Herzen: Wer will mich zu Boden stoßen? Wenn du auch in die Höhe führest wie ein Adler und machtest dein Nest zwischen den Sternen, dennoch will ich dich von dort herunterstürzen, spricht der Ewige (Vers 3f). Die Nationen werden Edom den Krieg erklären, es täuschen und plündern. Auf diese Weise wird es von HaSchem gedemütigt. Edom wird eins zu eins für die Israel zugefügte Qual bezahlen müssen. Am Ende wird Israel unter der Herrschaft G-ttes wiederhergestellt werden und das Land Edoms besitzen.

Die Verbindung zur Parascha

Die Parascha erzählt von dem Kampf Jaakows mit dem Engel Esaws, bei dem Jaakow an der Hüfte verletzt wurde und daraufhin hinkte. Genauso peinigten und peinigen die Nachkommen Esaws, die Edomiter, Israel und verletzen es geistlich und körperlich. Aber so wie Jaakow von HaSchem wiederhergestellt wurde, so wird es auch mit dem Volk Israel geschehen.

Auf dem Rückweg von Haran begegnete Jaakow mit seiner Familie seinem Bruder Esau. Esau bot Jaakow seine Begleitung an, aber Jaakow lehnte mit den Worten ab: Mein Herr ziehe doch vor seinem Knechte hin, und ich will einherziehen nach meiner Gemächlichkeit, nach dem Gange des Viehes, das vor mir ist, und nach dem Gange der Kinder, bis ich zu meinem Herrn komme nach Seir“ (Bereschit 33,14). Auf diesen Vers bezieht sich Obadja 1,21.

Gedanken zur Haftara

Der Bruder Esaw und der Fremde Edom[5]

Zunächstberichtet unsere Parascha, von der Begegnung der Brüder Jaakow und Esaw. Auch wenn ihre Beziehung spannungsgeladen war, standen sie sich doch als Brüder und nicht als Fremde gegenüber. Die Parascha schließt jedoch mit der Aussage: Und dies sind die Geschlechter Esaws, das ist Edom“ (Bereschit 36,1). Esaw verließ das Haus Awrahams und das Land Israel und so wurde aus dem Bruder der Fremde. Diese beiden Seiten Esaws finden wir in der ganzen Thora.[6]

Zunächst sieht Obadja Edom als Fremden, als eine Nation, die ihren Platz nicht kennt und die anstatt bescheiden zu sein, den Anspruch erhebt, Größe und Bedeutung zu haben. Ihr Problem ist Stolz und Überheblichkeit und dementsprechend wird Edom als Nation gerichtet. (vgl. Vers 1-6 u. 9)

Im 10. Vers jedoch ändert Obadja seine Sicht von Edom. Er weist Edom zurecht, weil er Israel als Bruder misshandelte: „Wegen der an deinem Bruder Jakob verübten Gewalttat wird Schande dich bedecken, und du wirst ausgerottet werden auf ewig.“ Die folgenden Verse heben die Vergehen des Bruders noch hervor, der gleichgültig und voller Schadenfreude dem Schicksal Jaakows gegenübersteht: „An dem Tage, da du gegenüber standest, an dem Tage, da Fremde sein Vermögen hinwegführten, und Ausländer zu seinen Toren einzogen und über Jerusalem das Los warfen, da warst auch du wie einer von ihnen. 12 Und du solltest nicht auf den Tag deines Bruders sehen, am Tage seines Missgeschicks, und dich nicht freuen über die Kinder Juda am Tage ihres Untergangs, noch dein Maul aufsperren am Tage der Bedrängnis“ (Vers 11f). Die Schuld Edoms ist die Freude an Israels Fall. Die Freude am Unglück nicht etwa des Fremden, sondern des Bruders ist auch Ausdruck von Brüderlichkeit. Die Qualität der Verletzung und Zerstörung unter Brüdern ist nicht zu übertreffen. Darin ist der Zorn des Propheten gegen Edom begründet und dieses Empfinden spiegelt Psalm 137,7: „Ewiger, vergiss den Söhnen Edom nicht, was sie sagten am Tage Jerusalems: »Reißt nieder, reißt nieder bis auf den Grund!«“ Babylon zerstörte zwar den Tempel, aber Edom ermutigte Babylon es zu tun und zwar so, dass der Tempel nicht nur zerstört, sondern bis ins Fundament demontiert wurde. Dabei ging es Edom nicht um einen persönlichen Gewinn, sondern um die Befriedigung seiner Eifersucht auf den Bruder. Die Zurechtweisung Obadjas betrifft nicht nur Edoms Bosheit, sondern ebenso seine Gleichgültigkeit an und Freude über Israels Unglück und Leid.

Der Unterschied der Sicht Esaws am Anfang und am Ende der Haftara, zeigt sich auch in der Strafe, die ihn erwartet. Als Fremder wird er wie die anderen Nationen von der Hand G-ttes bestraft. Als Bruder steht seine Bestrafung in Beziehung zu Israel, sein Fall wird von der Hand Israels kommen, wie es heißt: „Aber auf dem Berge Zion wird Errettung sein und er wird heilig sein; und die vom Hause Jakob werden ihre Besitzungen wieder in Besitz nehmen. 18 Und das Haus Jakob wird ein Feuer sein, und das Haus Joseph eine Flamme, und das Haus Esau zu Stoppeln; und sie werden unter ihnen brennen und sie verzehren. Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben, denn der Ewige hat geredet(Vers 17f).

Ende des Konfliktes in der messianischen Zeit

Der folgende Midrasch, in dem die Weisen den endgültigen Sieg Israels über Edom sehen, zeigt, dass es eine direkte Beziehung, zwischen dem Bericht des Ringkampfes am Jabbok in Bereschit und der Prophetie Obadjas über den Niedergang Esaws, gibt.

Rabbi Huna sagt: „Am Ende des Kampfes sagte der Engel [zu sich selbst]: „Ich werde Jaakow mitteilen, mit wem er in Wahrheit kämpft.“ Daraufhin nahm er seinen Finger und steckte ihn in den Boden und aus der Erde sprudelte Feuer hervor. Jaakow erwiderte: „Von daher erwartet er mich zu ängstigen aber ich bin ganz aus Feuer gemacht, wie geschrieben steht: Das Haus Jaakows ist Feuer ...“[7]

In der Parascha heißt es, dass Jaakow in seinem eigenen Tempo geht, um Esaw in Seir zu treffen. Der folgende Midrasch legt dieses Treffen in die zukünftige messianische Zeit.

„Wir haben in der ganzen Schrift gesucht, sagte R. Abuhu, und nicht gefunden, dass unser Vater Jaakow zu Esaw auf das Gebirge Seir jemals gegangen wäre, ist es wohl möglich, dass Jaakow, der wahrhaftig war, den Esaw hintergangen haben sollte? Nein! Wann wird er zu ihm kommen? In der Zukunft s. Obadja V. 21.“[8]

 

[2][1] Vgl. Siddur Schma Kolenu, Verlag Morascha, Basel, Zürich, 2000
[2][2] 15. Jahrhundert, Spanien, Portugal, Italien
[3][3] Vgl. Sanhedrin 89a
[4]Ebenso wird Obadja im Talmud gesehen. Vgl. Sanhedrin 39b und auch von Raschi
[5]Vgl. Rav Mosheh Lichtenstein, Yeshivat Har Etzion
[6]Vgl. Bamidbar 20,14-21; Dewarim 2,4; Schemot 15,15
[7]Vgl. Midrasch Bereschit Rabba 77,2
[8]Midrasch Bereschit Rabba 78,14b

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