Zerstörung und Wiederaufbau Empfehlung

05. August 2024 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Dwarim

ב"ה

Parascha “DEWARIM“ 

aus: Belebende Parascha 
Thora-Deutungen des Lubawitscher Rebben für die Gegenwart 
von Rabbiner Benjamin Sufiev 

Band I 

Zerstörung und Wiederaufbau 

Unser Wochenabschnitt wird jedes Jahr vor dem Fasttag des Neunten Av rezitiert. Die
dazugehörige Lesung aus dem Prophetenbuch beginnt mit den Worten: Die Vision des
Jesaja, Sohn des Amoz (Jeschajahu 1:1) und handelt von der Prophezeiung der
Zerstörung des Ersten Tempels. Daher kommt auch der besondere Name dieses
Schabbats - “Schabbat der Vision“. Rabbi Lewi Jitzchak von Barditschew (Rabbi Jitzchak
ben Meir aus der Ukraine, 1740-1810) gibt uns einen tieferen Einblick in die Bedeutung
dieses besonderen Schabbats. „Denn an diesem Schabbat“, so lehrt er, „zeigt man jedem
Juden von weiter Ferne den Dritten Tempel“ (Reschimot haZemach Zedek zu Klagelieder
Jeremias).

Die “Vision“ an diesem Schabbat handelt sowohl von der Zerstörung des Tempels als
auch von seinem Wiederaufbau. Ähnliches erzählt uns der Midrasch: “Es stieg auf der
Löwe“ (Nebukadnezar) im “Monat des Löwen“ (Monat Av) und zerstörte den
“Löwen“ (Tempel), damit komme der “Löwe“ (G‘tt) und den “Löwen“ aufbaue (Jalkut
Schimoni, Jeremia, Kapitel 1, Abschnitt 259). Der Midrasch sieht in dem Löwen sowohl den
Zerstörer des Tempels als auch seinen Wiedererbauer. Die Frage ist, weshalb mit ein und
demselben Ausdruck zwei völlige Gegensätze verbunden werden.

Mit welchem Recht?

Doch vorher sollte eine noch viel grundlegendere Frage gestellt werden: Unsere Weisen
lehren (Schmot Rabba 30:9), “dass G‘tt sich an die Regeln der Thora, welche Er Israel
gebietet, auch selbst hält (in Seinen Begriffen)“. An die Zerstörung des Tempels sind zwei
ausdrückliche Verbote gebunden:

Erstens, das Verbot der sinnlosen Zerstörung (bal taschchit - vernichte nicht), und
zweitens, das konkrete Verbot, den Tempel zu beschädigen und umsomehr ihn zu
zerstören (dasselbe gilt auch für Synagogen). Wie konnte G‘tt Seine eigenen Regeln
brechen?

Es reicht nicht aus zu erklären, dass der Tempel aus Strafe für die Sünden Israels
zerstört wurde. Denn die Missetaten Israels sind keine Rechtfertigung dafür, ausdrückliche
Verbote der Thora zu übertreten! Sollten die Juden durch ihre Sünden jeglichen Anspruch
auf einen Tempel verloren haben, könnte G‘tt den Tempel auch begraben oder
verschwinden lassen, wie Er es mit dem Stiftszelt getan hatte. Wozu ihn zerstören?

Um aufzubauen

In der Halacha stoßen wir auf einen äußerst interessanten Gesetzesschluss (Schulchan
Aruch, Orach Chajim 152, Rama): Es ist strengstens verboten, eine Synagoge zu
zerstören, es sei denn, man will stattdessen eine prachtvollere bauen - also nur, wenn die
Zerstörung für den Bau eines noch ruhmvolleren G‘tteshauses geschieht! Dieses Gebot
„der Zerstörung für den Aufbau“ bezieht sich auch auf den Jerusalemer Tempel. G‘tt wollte
den Dritten Tempel erbauen, ein Heiligtum, das seine Vorgänger in den Schatten stellen
wird; nur deshalb zerstörte Er den Ersten und den Zweiten Tempel!

Das ist ein Elementarstein des jüdischen Glaubens. Die Zerstörung dient nur für den
Aufbau, der Fall nur für den Aufstieg; universal ausgedrückt: Alles ist ausschließlich zum
Guten! Die Zerstörung der Tempel dient nur der Verbesserung und Perfektion, so wie sie im
Dritten Tempel zustande kommen! Einerseits trauern wir um ihren Verlust, doch zugleich
begleitet uns der ständige Glaube an eine viel bessere Zukunft, welche gerade aus den
Trümmern der Zerstörung aufblüht.

So finden wir im Midrasch (Echa Rabba 1:51), dass zur Zeit der Zerstörung des
Tempels “der Erlöser Israels geboren wurde“, denn das ist ja der tiefe Sinn der Zerstörung
und der Galut - der Dritte Tempel und die vollkommene Erlösung, die schon während der
Zerstörung des Tempels ihren Anfang gefunden hatte!

Nun ist unsere Frage beantwortet, weshalb die Zerstörung und der Aufbau mit
identischen Ausdrücken bezeichnet werden (“Vision“, “Löwe“), denn in Wirklichkeit sind die
Zerstörung Teil des Aufbaus und die Galut Teil der Erlösung!
(Likutej Sichot, Band 29, Seite 9)

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