Paraschat “SCHMOT“ Empfehlung

19. Dezember 2021 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Schemot

ב"ה

Paraschat “SCHMOT“

Auszug aus: Zeitlos aktuell - Gedanken zum Wochenabschnitt, von Dr. Zwi Braun

Ein neuer König

Es erhob sich ein neuer König über Ägypten, der von Josef nichts wusste. Und er sprach
zu seinem Volk: Seht ein Volk sind die Bnej Israel, zu zahlreich und zu mächtig für
uns“ (Schmot 1: 8,9).

Über die Identität des neuen Königs finden wir im Talmud (Sota 11a) eine Diskussion
zwischen den Gelehrten Raw und Schmuel. Raw stützt sich auf das Adjektiv neu und
betrachtet diesen Paro als tatsächlich neuen Herrscher über Ägypten. Laut Benno Jacob
war der Paro des Josef ein Angehöriger der Hyksos, ein Volk, welches Ägypten erobert
hatte, bis zur 17. Dynastie herrschte, um dann von einem neuen Herrscher abgelöst zu
werden. Rabbiner Baruch Eppstein verweist in seinem Kommentar “Tossefet Bracha“ auf
die Tatsache, dass die Tora für den Regierungsantritt das Wort “Wajakom“ (es erhob sich)
wählt. Mit demselben Verb beschreibt die Tora die frevlerische Tat des Kain gegenüber
seinem Bruder Hewel: “Wajakom Kain“ (Bereschit 4:8). Damit deutet die Tora bereits die
mörderischen Pläne des neuen Regenten an!

Nach Schmuel war nicht der Paro neu, sondern seine Politik gegenüber den Juden.
Die Tora berichtet uns nichts über ein Ableben des Königs, was sie im nächsten Kapitel
jedoch tut (2:23). Selbst wenn es ein neuer Paro war, so sprechen nach Benno Jacob drei
gewichtige Gründe dagegen, dass er Josef nicht gekannt haben sollte. Vielmehr wollte er
von Josef und dessen Wohltaten für das ägyptische Volk nichts mehr wissen. In den
Staatsarchiven des Landes mussten die Taten des Vizekönigs Josef verzeichnet sein.
Weiterhin können wir davon ausgehen, dass das betroffene jüdische Volk sicher die
Behörden auf die Verdienste Josefs hingewiesen hatte. Schließlich finden wir eine ähnliche
Haltung Paros einige Kapitel weiter, als er Mosche antwortet:

Wer ist Gʻtt, dessen Stimme ich zu gehorchen hätte, Israel freizulassen? Ich kenne
Gʻtt nicht und auch Israel lasse ich nicht frei“ (Schmot 5:2).

Wer die Verdienste des jüdischen Volkes um das Wohlergehen der Gastländer leugnet,
leugnet letztenendes auch den himmlischen Schöpfer, unter dessen besonderen Schutz
Am Israel steht. “LaDaʻat“. das hebräische Wort für “kennen“ hat auch die Bedeutung von
erkennen, schätzen, lieben. In diesem Sinne verwendet es die Tora an manchen Stellen
(z.B. Bereschit 4:1; 18,19). Der neue Paro oder der alte Paro mit neuer Gesinnung,
schätzte nun die Verdienste eines Josef nicht mehr. Sie waren ihm unbequem. Im anfangs
zitierten Passuk ist zum ersten Mal in der Tora vom Volk Israle die Rede, und leider wird
Feindschaft den Gang dieses Volkes durch die Weltgeschichte auf weiten Strecken
begleiten. Rabbiner Samson Raphael Hirsch bemerkt zur Stelle:

“Auch dieses allererste Rischuss (Bösartigkeit) ist durch nichts veranlasst, was die
Juden etwa verbrochen hätten. Paro konnte nichts gegen sie vorbringen, sonst hätte es
nicht der Chochma (Klugheit) gegen sie bedurft, man hätte offen gegen sie vorgehen
können. Ferner: Das allererste Rischuss ging nicht vom Volk, sondern von oben aus. Erst
von oben herab war der Neid angeregt, war ein Mittel der Politik, die der neue Dynast zur
Befestigung seiner eigenen Gewalt gebrauchte. So oft man ein Volk von oben herab
drücken wollte, gab man ihm gern ein anderes Volk preis, das es drücken konnte, um sich
für den eigenen Druck schadlos zu halten. Dieser Politik verdanken viele Judengesetze
ihren Ursprung. Er wollte das von ihm gewaltsam unterdrückte ägyptische Volk dadurch
entschädigen, dass er ihm eine Parias - Kaste schuf, auf welche alle anderen Kasten in
stolzem Selbstgefühl hinabschauen und sich als freier träumen konnten.“

Was hier Rabbiner Hirsch für das 19. Jahrhundert schrieb, hielt der deutsch-jüdische
Schriftsteller Jakob Wassermann in seiner Autobiographie “Mein Weg als Deutscher und
Jude“ für das 20. Jahrhundert fest:

“Immer wenn es ihnen schlecht ergangen, nach jeder Niederlage, in jeder Klemme, in
jeder heilklen Situation machen sie die Juden für ihre Verlegenheit verantwortlich. So ist es
seit Jahrhunderten. Drohende Erbitterung der Massen wurde stets in diesen bequemen
Kanal geleitet ...“

Ein gnädiges Schicksal hat es Jakob Wassermann erspart, seine prophetischen Worte
am eigenen Leib erleiden zu müssen.

Angesichts dieser traurigen Fakten tröstet uns bereits ein Midrasch und stellt den
Bestrebungen des Paro “pen jirbe - damit es sich nicht vermehre“ (Schmot 1:11) die
Tatsache des “ken jirbe - so vermehrte es sich“ (Schmot 1:12) gegenüber. Von Beginn
seiner Geschichte bis zur messianischen Endzeit wird Am Israel allen Anfeindungen und
Verfolgungen zum Trotz mit gʻttlicher Hilfe überleben, um seine Aufgabe zu erfüllen: Das
Wissen um den Einen und Einzigen in die Welt hinauszutragen.

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