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Paraschat “BERESCHIT“ Empfehlung

25. September 2021 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Bereschit

ב"ה

Paraschat “BERESCHIT“

Auszug aus: Zeitlos aktuell - Gedanken zum Wochenabschnitt, von Dr. Zwi Braun

Im Anfang

Der Midrasch lässt den ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets, das “Alef“, vor
Gʻtt hintreten, und sich darüber beklagen, warum die Tora nicht mit ihm, sondern mit dem
“Beth“, der Nummer Zwei, beginne! Worauf Gʻtt das Alef tröstet und ihm mitteilt, dass einst
die Zehn Gebote mit einem Alef beginnen würden: “Anochi - Ich - bin Gʻtt ...“ (Schmot 20:2).
Zur berechtigten Frage des Alef gibt es viele Antworten. Auch sämtliche Talmudtraktate
beginnen mit der Seite Zwei, Beth, und nicht mit der Seitenzahl Eins. Dies soll uns
bedeuten, dass wir nach allen Jahren des Studiums und der Wiederholung noch nicht
einmal am Anfang stehen. Die in der schriftlichen und mündlichen Lehre enthaltene
göttliche Weisheit ist unbegrenzt und wird von uns niemals von “Anfang bis Ende“
ausgeschöpft sein. Indem die schriftliche Lehre, die Tora, mit dem Beth beginnt, ist dies
auch ein Hinweis auf die zweite, parallele Existenz der mündlichen Lehre, des Talmuds.

Rabbi Naftali Zwi Ropschits gibt in seinem Torakommentar “Sera Kodesch“ folgende
Antwort auf unsere Frage. Das Beth steht für Bajit, Haus, und symbolisiert in seiner
Schreibweise ב , dass jedermann zum Betreten dieses Hauses eingeladen ist. Die Tora ist
das Haus jedes Juden, in dem er wohnt und sich wohl und geborgen fühlt. Gleichzeitig
informiert uns das Beth durch seine Schreibweise darüber, dass es nur eine Richtung gibt,
die für uns offen steht, nämlich nach vorne. Der Blick zurück, vor den Beginn der
Schöpfung, bleibt uns Menschen verwehrt.

Benno Jacob erläutert den ersten Satz der Tora wie folgt:
“Eine solche uranfängliche Schöpfung aus dem Nichts durch Gʻtt, im Gegensatz zu
Entwicklung oder Herstellung aus oder Zeugung durch ein bereits Vorhandenes, gedacht,
gelehrt und in lapidarer Kürze mit ihrem ersten Satz an die Spitze gesetzt zu haben, ist die
erste Großtat der Tora, des religiösen Genius Israels. Alle anderen Lehren über die
Entstehung der Welt lassen die Welt aus einem von Ewigkeit her daseienden Urstoff
entstehen oder gebildet werden, und keine andere Religion oder Philosophie hat diesen
letzten Schritt gewagt. Kein Satz konnte würdiger sein, dass Buch der Bücher zu beginnen,
und nur ein gänzliches Durchdrungensein von der absoluten Macht Gʻttes und die
entschiedenste Konsequenz religiösen Denkens konnte ihn hervorbringen. Der Erkenntnis
ist er ebenso verschlossen wie das unbegreifliche Wunder der Freiheit des Willens als ein
außerhalb der Kausalität stehender neuer Anfang und wie diese, wenigstens nach der
Auffassung der Tora und des Judentums, ein Postulat der praktischen Vernunft, das
ʻFundament der Fundamenteʻ (Rambam). Um den Sinn zu treffen, muss man einen
Nachdruck auf das zweite Wort legen: Im Anfang s c h u f Gʻtt ...

Wenn wir nicht das Wort Himmel, sondern das voranstehende Wörtchen “den“, hebr.
“et“, als erstes Objekt nehmen, so können wir diesen Vers in chassidischer Weise so lesen:
Im Anfang schuf Gʻtt das “et“ (Rabbi Jakow Josef von Polonnoye. “Et“ wird mit “Alef“ und
“Taw“ geschrieben, umfasst also den ersten und den letzten Buchstaben des Alef Bet: “Im
Anfang schuf Gʻtt das Alef Bet“. Dies entspricht dem Midrasch, wonach die Tora der
Bauplan war, nach dem Gʻtt die Welt erschuf. Dazu passt der Zahlenwert von “Bereschit
bara Elokim“ - im Anfang erschuf Gʻtt - demjenigen folgender Worte entspricht: “Be-Chaf
Bet Otijot bara Olamo“ - mit 22 Buchstaben erschuf Er Seine Welt (Sefer Wajesaper
Mosche, von Raw Mosche Wechsler).

Raschi führt eine weitere Deutung des Wortes Bereschit an. Wenn wir das Beth vom
Rest des Wortes lösen, so entsteht die Lesart: “Be-Reschit, für den Reschit, schuf Gʻtt den
Himmel und die Erde“. Raschi zitiert zwei Verse aus dem Tenach, wo das Wort “Reschit“ -
Anfang, Beginn - vorkommt: “Der Ewige hat mich geeignet als den Erstling (Reschit)
Seines Weges, das erste Seiner Werke von der Urzeit her“ (Mischle 8:22). Hier ist von der
Tora die Rede, das erste Werk Gʻttes. Für die Tora schuf Gʻtt Himmel und Erde als Ort der
Verwirklichung. “Ein Heiligtum ist Israel dem Ewigen, Erstling Seines Ertrages (Jirmijahu
2:3). Für “Am Israel“ schuf Gʻtt Himmel und Erde, um die Tora und ihre Lehren durch dieses
Volk auf der ganzen Welt zu verbreiten. Raschi beantwortet so aus jüdischer Sicht die
Frage nach dem Warum und Wozu der Schöpfung, die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Die Welt existiert, damit sich in ihr das Wort Gʻttes, die Tora, entfalten kann. Träger der Tora
und erster Vertreter des Monotheismus ist Am Israel. Das Gedankengut der Tora ist aber
nicht nur auf das jüdische Volk beschränkt, es steht allen Menschen offen.