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Paraschat “WAJECHI“ Empfehlung

27. Dezember 2020 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Wajechi

ב"ה

Paraschat “WAJECHI“

Auszug aus: Zeitlos aktuell - Gedanken zum Wochenabschnitt, von Dr. Zwi Braun

Schilo - Ziel der Einigkeit

“Es wird nicht weichen ein Stab von Jehuda und ein Befehlsgeber von zwischen seinen Füßen. Bis dass
Schilo kommt und ihm die Huldigung der Völker zuteil wird“ (Bereschit 49:10).

 Dieser Vers gehört zu den Segnungen, die Jaakow dem Jehuda erteilt. Raschi, auf
dem Talmud (Sanhedrin 5a) basierend, bezieht die beiden Vershälften auf die Patriarchen
in Erez Israel und die Exilarchen in Babylon, als die von Jehuda abstammenden Platzhalter
des Maschiach. Sowohl die Patriarchen (Nesiʻim) als auch die Exilarchen (Resch Galuta)
sorgten für ein Minimum an jüdischer Autonomie, auch wenn die eigentliche Herrschaft in
fremder, sei es römischer oder persischer, Hand lag. Ramban versteht den Vers
dahingehend, dass, solange es eine Herrschaft in Israel gibt, sie von Jehuda sein wird, bis
zur Zeit des Maschiach. Das Wort “Schilo“ wird auf den Maschiach bezogen, im Sinne von
“bis der kommt, dem die Herrschaft gebührt“. Der Baal Haturim bemerkt, dass der
Zahlenwert von “jawo Schilo“ (Schilo kommt) mit dem des Wortes Maschiach identisch ist
(358). Nach dieser Deutung sagt Jaakow voraus, dass die weltliche und geistige
Führungsrolle im späteren Verlauf der jüdischen Geschichte dem Stamm Jehuda
vorbehalten sein wird.

 Das Wort “Schilo“ hat eine große Anzahl von Deutungen erfahren. Von Rabbiner A.
Poznansky stammt ein sechshundert Seiten starkes Werk, welches die Deutung dieses
Wortes bis zum Ende des Mittelalters verfolgt. Benno Jacob geht in seinem Kommentar
von den geographischen Gegebenheiten aus:
 „Schilo ist der Name der bekannten Stadt im Gebiete Efraim. Dieser Ort war in der
vordavidischen Zeit ein Mittelpunkt für Israel. Hierhin hatte Jehoschua nach beendigter
Eroberung des Landes das Stiftszelt überführen lassen. Hierhin wurde später gewallfahrt,
hier amtete der Priester Eli und diente Schmuel bei der Bundeslade. Hier war das ʻHaus
Gʻttesʻ und verblieb die Lade, bis sie, in der Schlacht mitgenommen, von den Philistern
erbeutet, dann von ihnen zurückgeschickt und schließlich von David nach Jeruschalajim
überführt wurde. Es war also während der Richterzeit das, was später Jeruschalajim
wurde: der Ort, an dem Gʻtt Seinen Namen wohnen ließ.“

 Benno Jacob deutet unseren Vers auch auf die Zukunft bezogen, wenn auch nicht auf
die messianische Zeit:
 „Die Überführung der Lade nach Jeruschalajim und seine Erhebung zum
Reichsmittelpunkt war ein politischer Akt Davids, und die Legitimität seiner Dynastie setzte
sich auch in einer überschwenglichen Verherrlichung dieser Stadt und des Tempels auf
Zion durch. Aber die Opposition gab sich schon unter David nicht zufrieden. Binjamin
vergaß nicht, dass ihm und Schaul das Königtum entrissen war. Und kaum war Schlomo
tot, als der Efraemit Jerowam Israel mit Erfolg zum Abfall vom Hause Davids und zur
Abwendung von Jeruschalajim und seinem Tempel aufrief. Damit war zwischen Nord und
Süd eine Kluft geschaffen, die einstmals wieder geschlossen zu sehen eine nationale
Sehnsucht wurde und noch im babylonischen Exil blieb. Dann ʻsollte Efraim nicht mehr auf
Jehuda eifersüchtig sein und Jehuda Efraim nicht befeindenʻ (Jeschajahu 11:13). Unser
Ausspruch verheißt die Versöhnung der Stammesgegensätze durch eine Lösung, die
beiden Teilen gerecht wird: ein Königtum aus Jehuda, auf efraemitischem Boden von
Neuem proklamiert, zu Schilo, dem altgeheiligten Wallfahrtsort ... Die Erklärung steht völlig
im Einklang mit dem Geist der ganzen Josefsgeschichte, die hinausläuft auf Versöhnung
feindlicher Brüder, Josef und - als Führer der anderen - Jehuda. Von niemandem sonst
konnte ein solches Wort ausgesprochen werden als von dem Vater, und zwar richtet er es
an Jehuda in Gegenwart aller Brüder in Ägypten, also gleichsam bereits auf dem Boden
einer Herrschaft Josefs. So hatte er schon den Jehuda vorausgeschickt (Ber. 46:28), um
dem Josef entgegenzukommen. Ohne diese Auffassung der Stelle würde diesen letzten
Worten Jaakows unbegreiflicherweise ein Gedanke fehlen, den wir in der Abschiedsrede
eines Vaters an seine versammtelten Söhne zuallererst anzutreffen erwarten: eine
Mahnung zur Einigkeit.“