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Paraschat MASSEJ Empfehlung

14. Juli 2020 geschrieben von   Chana Rachel Freigegeben in Massej

ב"ה

Paraschat “MASSEJ“


VORWÄRTS

aus: Belebende Parascha
Thora-Deutungen des Lubawitscher Rebben für die Gegenwart
von Rabbiner Benjamin Sufiev


Unser Wochenabschnitt beginnt mit den Worten: „Dies sind die Wanderungen der Kinder
Israels“, und dann werden darin alle Raststätten des jüdischen Volkes während der
vierzigjährigen Wüstenwanderung aufgezählt.
Thorakommentatoren werfen sofort die Frage auf: Wenn die Betonung auf den
Raststätten des jüdischen Volkes liegt, hätte doch die Thora mit „Dies sind die Raststätten
der Kinder Israels“ einleiten müssen. In der Thora heißt es aber: „Dies sind die
Wanderungen ...“
Eine Lehre des Baal Schem Tow zu unserer Thoralesung bekräftigt sogar die Frage.
Der Baal Schem Tow erklärt (Degel Machane Efraim, zu Beginn von Paraschat Massej),
dass die 42 Wanderungen der Kinder Israels auch jeder Mensch durchlebt, beginnend mit
seiner Geburt bis zu seinem Eintritt in die künftige Welt. Und jede Raststätte des jüdischen
Volkes in der Wüste deutet auf eine bestimmte Stufe in der Bindung zu G‘tt, welche der
Mensch zu erreichen hat. Der Schwerpunkt liegt also auf dem Erreichen jener Stufe („der
Raststätte“), und nicht auf dem Weg dorthin.

Sei ein „Fortschreitender“!
Das Leben ist eine Reise und der passende Reiseführer die Thora. Und darin wird die
richtige Lebenseinstellung festgelegt: „Das sind die Wanderungen“ - der Mensch soll
ständig in seiner Bindung zu G‘tt „auf der Wanderung“ sein, in Bewegung vorwärts, und
sich nicht mit dem Erreichten (der Raststätte) zufrieden geben! Denn es gibt die Stufe des
„Fortschreitenden“ und die Stufe des „Stehenden“.
Am Menschen liegt es, ein „Fortschreitender“ zu sein (Sefer haMaamarim, Jahrgang
5671, Seite 69), auch der „Stehende“ macht Fortschritte, doch nur im Rahmen seines
Niveaus, welches er nicht zu sprengen vermag. Deshalb bleibt er weiterhin auf der Stufe
des „Stehenden“; „Fortschreiten“ bedeutet hingegen, seine vorherige Stufe gänzlich zu
verlassen und dadurch ein neues, höheres Niveau zu erreichen.

Höhen und Tiefen
Die Lehre der Chassidut erklärt (Likutej Thora, Bamidbar 91, Abschnitt Eleh Massej), dass
die 42 Wanderungen in der Wüste auch die verschiedenen Abschnitte der Galut andeuten,
in welchem sich das jüdische Volk befindet. Dieser Erklärung zufolge entsprechen die
„Wanderungen“ einem Aufstieg des jüdischen Volkes in der Galut, während die
„Raststätten“ düstere Zeiten andeuten. Dennoch aber benennt die Thora auch (und
gerade) die „Raststätten“ mit den „Wanderungen“, da sie Teil der fortschreitenden
Wanderungen sind!
Denn der Sinn der Galut und des Abstieges ist der darauf folgende Aufstieg und die
Erlösung. Denn die Thora legte bereits fest: Jeder Abstieg ist für den Aufstieg! Und in
Wahrheit benötigt man den Abstieg, um einen wirklichen Aufstieg zu erleben. Denn seine
wahren, stärksten Kräfte mobilisiert der Mensch erst in schwierigen Zeiten, welche ihm
schließlich ermöglichen, ein höheres Niveau zu erreichen als vor seinem Abstieg.

Stoßdämpfer
Aus dieser Lehre kann jeder Mensch Motivation, Trost und Hoffnung für seine
„Lebensreise“ schöpfen. Zuallererst gilt: Es muss immer vorwärts gehen! Und selbst, wenn
er sich in einer misslichen Lage befindet oder in Sünde verfällt und sich dadurch von G‘tt
distanziert, liegt doch der einzige Sinn dieser Misere darin, nicht zu verzweifeln, sich damit
abzufinden, und auch nicht darin, nur das Beste daraus zu machen, sondern viel mehr als
das: Der Sinn ist, vom Tiefstpunkt zum Höchstpunkt zu gelangen! Und sobald der Mensch
auf diese Weise vorgeht, wird er schließlich erkennen, dass auch Fall und Abstieg in ihrem
wahren Wesen der Beginn des Aufstiegs waren und sogar die dafür notwendigen
„Stoßdämpfer“.
Der Wochenabschnitt „Massej“ wird in den „Tagen der Bedrängnis“ rezitiert, jenen drei
Wochen, in denen wir um die Zerstörung der Jerusalemer Tempel trauern und die daraus
folgende Galut. Die Verlesung des Wochenanschnitts gerade in dieser Zeit lehrt uns, die
Galut nicht hinzunehmen, denn sie ist doch Teil der „Wanderungen“ und dient nur einem
Zweck - dem Erreichen der vollkommenen Erlösung, so dass selbst diese Trauertage zu
Festen umgewandelt werden, da sie doch die „Stoßdämpfer“ zur Erlösung waren!
(Likuej Sichot, Band 23, Seite 224)