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Paraschat Lech Lecha Empfehlung

25. Oktober 2020 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Lech Lecha

ב"ה

Auszug aus: “Persönlichkeiten aus der Bibel“, von Rabbiner Adin Steinsaltz

Awraham Awinu

Die biblische Erzählung über Awraham Awinu ist sehr ausführlich. Wir werden mit
seinem Geschick, seiner ersten, zweiten und dritten Frau, seinem Verhältnis zu seinen
Söhnen u.s.w. konfrontiert. Was nun macht diese Persönlichkeit aus, was macht sie zu
einem biblischen ʻHeldenʻ, dessen Erinnerung sich durch die Niederschrift in der Torah als
verewigungswürdig erwies? Geschichtlich wichtige Personen pflegen nicht bloß Namen zu
sein, sondern werden meistens im kollektiven Gedächtnis der Nachwelt mit einem für sie
als charakteristisch empfundenen Attribut ausgezeichnet. Dieser, so heisst es etwa, war ein
großer ʻErobererʻ, jener ein begnadeter ʻKünstlerʻ, ein anderer wiederum ein ʻErfinderʻ oder
ʻEntdeckerʻ, während wieder ein anderer als Begründer einer Dynastie in die Geschichte
einging. Es stellt sich somit die Frage: Wodurch zeichnet sich Awraham aus, unter welcher
ʻÜberschriftʻ lassen sich sein Leben und Lebenswerk kurz und bündig zusammenfassen?

Die am meisten verbreitete Antwort auf diese Frage, die durch unzählige Quellen aus
allen Generationen belegt wird, lautet, dass Awraham Awinu als der Begründer des
Monotheismus, des Glaubens an den e i n e n Gʻtt, anzusehen ist und mithin als der
Begründer der monotheistischen Religion gilt, als der Allererste, der die Idee des e i n e n
Gʻttes in die Welt trug. Von ihm nahm das jüdische Volk seinen Ausgang, er ist der Vater
aller großen monotheistischen Religionen, die sich auch tatsächlich auf ihn berufen.
Diese Sicht über Awraham hält jedoch einer eingehenden Prüfung der Urquelle nicht
stand, was im diametralen Gegensatz zu der Tatsache zu stehen scheint, dass sie jedem
Kind in einem jüdischen Kindergarten bereits mit in die Wiege gelegt wird: durch unzählige
ʻAgadotʻ und ʻMidraschimʻ, am bekanntesten von ihnen vielleicht die agadische Erzählung
(aus dem Midrasch Bereschit Rabba) von Awraham Awinu, der als Kind die Götzen
seines Vaters Terach zertrümmert.

Wir sollten uns jedoch davon nicht beirren lassen und eine Blick in die Schrift selbst
wagen. Was weiss sie uns darüber zu berichten? Präsentiert uns die Schrift Awraham
Awinu tatsächlich als den großen Propheten und Begründer des Ein-Gʻtt-Glaubens? Die
sorgfältige Lektüre der relevanten Bibelabschnitte eröffnet uns eine erstaunliche Tatsache:
An keiner Stelle in der Torah wird Awraham Awinu tatsächlich als der Begründer der
monotheistischen Religion angesprochen. Nicht im Buch Bereschit und auch nicht in den
anderen biblischen Quellen.

Die Frage stellt sich um so dringender, als dass bei einer sorgfältigen Lesung der
Kapitel über Awraham nicht nur die Abwesenheit dieses Motivs auffällt, sondern sich dem
aufmerksamen Leser geradezu die Frage aufdrängt, wie sich die Ansicht, dass Awraham
der Begründer des ʻEin-Gʻtt-Glaubensʻ ist, mit einer objektiven Betrachtung der
Schriftstellen überhaupt vereinbaren lässt. Denn während gerade dieses Motiv in der Torah
gänzlich zu fehlen scheint, wird auf Awrahams Verdienste von Gʻtt selbst Bezug
genommen: “Denn Ich habe ja nur deshalb Mein besonderes Augenmerk auf ihn gerichtet,
damit er seine Kinder und sein Haus nach sich verpflichte, dass sie den Weg Gʻttes hüten,
Pflichtmilde (Zedaka) und Recht (Mischpat) zu üben ...“ (Bereschit 18:19).

Awrahams Persönlichkeit wird von der Torah durchaus vielseitig präsentiert. Seine
Antwort auf Gʻttes Ruf wird hervorgehoben, die Tatsache, dass er so ohne weiteres Gʻttes
Ruf folgt und den Wanderstab auf sich nimmt, sein Streiten mit Gʻtt um die Rettung
Sʻdoms, sein Streben nach Güte und Liebe. Es wird berichtet, wie Awraham selbstlos für
seinen Neffen Lot in den Krieg zieht, und vor allem, wie er seinen Sohn Jitzchak Gʻtt
darzubringen bereit ist. Doch nirgends tritt uns Awraham als Religionsstifter entgegen ... er
ruft jedoch eine religiöse Erneuerungsbewegung ins Leben und ruft zur Rückkehr
(Tʻschuwa), zum Glauben an den e i n e n Gʻtt auf.

Awraham ist somit n i c h t ʻErfinderʻ des ʻEin-Gʻtt-Glaubensʻ. Er hat den Mut, den
ʻEin-Gʻtt-Glaubenʻ von einst, den zwar alle kannten, aber längst abgeschrieben hatten, zu
propagieren.

Ein Beleg für unsere Auffassung ist Malkizedek, der König von Schalem, auch er ein
ʻPriester des höchsten Gʻttesʻ. Die Begegnung Awrahams mit Malkizedek ist eindeutiger
Beweis dafür, dass Awraham kein Religionsgründer ist. Die kleine Stadt, Schalem bzw.
Jeruschalajim, die Awraham auf seinem Weg von einem großen Zivilisationszentrum zu
einem anderen (Ägypten) durchquert, dient Awraham, nicht anders als alle - selbst die
abgelegensten - Stationen seines Weges, als die Bühne, von wo aus er furchtlos zur
Rückkehr zum alten Gʻttesglauben aufruft. Überall auf dem Weg baut Awraham Altäre dem
e i n e n Gʻtt und gibt seinen Glauben kund.

Wir nähern uns hiermit der biblischen Auffassung von Awraham. Er ist n i c h t der
ʻErfinderʻ, der der erstaunten Welt ein neues, auf dem e i n e n Gʻtt basierendes
Glaubenssystem präsentiert - seinen Glauben glaubten bereits die Urväter der Menschheit.
Er ist jedoch der erste seit langen Generationen, der diesen Glauben wieder mit der ihm
gebührenden Ernsthaftigkeit ausstattet. Awraham ist ein großer Mann, ein bedeutender
Stammesfürst, der sich in den Gegensatz zu den Grundwerten der ganzen damaligen
Kultur und Zivilisation stellt, indem er den Namen des Ewigen, seines Gʻttes anruft. Daher
geht er auf Wanderung und versucht, auf seinem Weg die ʻEin-Gʻtt-Gläubigenʻ um sich zu
sammeln und den alten Glauben auf der ganzen Welt wiederzubeleben. Awraham Awinu
ruft ʻden Namen Gʻttes anʻ und hat überall auf seinem Weg nur das eine Anliegen: zur
Rückkehr zu dem e i n e n Gʻtt zu mahnen.

Die biblische Erzählung über Awraham Awinu ist sehr ausführlich. Wir werden mit
seinem Geschick, seiner ersten, zweiten und dritten Frau, seinem Verhältnis zu seinen
Söhnen u.s.w. konfrontiert. Was nun macht diese Persönlichkeit aus, was macht sie zu
einem biblischen ʻHeldenʻ, dessen Erinnerung sich durch die Niederschrift in der Torah als
verewigungswürdig erwies? Geschichtlich wichtige Personen pflegen nicht bloß Namen zu
sein, sondern werden meistens im kollektiven Gedächtnis der Nachwelt mit einem für sie
als charakteristisch empfundenen Attribut ausgezeichnet. Dieser, so heisst es etwa, war ein
großer ʻErobererʻ, jener ein begnadeter ʻKünstlerʻ, ein anderer wiederum ein ʻErfinderʻ oder
ʻEntdeckerʻ, während wieder ein anderer als Begründer einer Dynastie in die Geschichte
einging. Es stellt sich somit die Frage: Wodurch zeichnet sich Awraham aus, unter welcher
ʻÜberschriftʻ lassen sich sein Leben und Lebenswerk kurz und bündig zusammenfassen?

Die am meisten verbreitete Antwort auf diese Frage, die durch unzählige Quellen aus
allen Generationen belegt wird, lautet, dass Awraham Awinu als der Begründer des
Monotheismus, des Glaubens an den e i n e n Gʻtt, anzusehen ist und mithin als der
Begründer der monotheistischen Religion gilt, als der Allererste, der die Idee des e i n e n
Gʻttes in die Welt trug. Von ihm nahm das jüdische Volk seinen Ausgang, er ist der Vater
aller großen monotheistischen Religionen, die sich auch tatsächlich auf ihn berufen.
Diese Sicht über Awraham hält jedoch einer eingehenden Prüfung der Urquelle nicht
stand, was im diametralen Gegensatz zu der Tatsache zu stehen scheint, dass sie jedem
Kind in einem jüdischen Kindergarten bereits mit in die Wiege gelegt wird: durch unzählige
ʻAgadotʻ und ʻMidraschimʻ, am bekanntesten von ihnen vielleicht die agadische Erzählung
(aus dem Midrasch Bereschit Rabba) von Awraham Awinu, der als Kind die Götzen
seines Vaters Terach zertrümmert.

Wir sollten uns jedoch davon nicht beirren lassen und eine Blick in die Schrift selbst
wagen. Was weiss sie uns darüber zu berichten? Präsentiert uns die Schrift Awraham
Awinu tatsächlich als den großen Propheten und Begründer des Ein-Gʻtt-Glaubens? Die
sorgfältige Lektüre der relevanten Bibelabschnitte eröffnet uns eine erstaunliche Tatsache:
An keiner Stelle in der Torah wird Awraham Awinu tatsächlich als der Begründer der
monotheistischen Religion angesprochen. Nicht im Buch Bereschit und auch nicht in den
anderen biblischen Quellen.

Die Frage stellt sich um so dringender, als dass bei einer sorgfältigen Lesung der
Kapitel über Awraham nicht nur die Abwesenheit dieses Motivs auffällt, sondern sich dem
aufmerksamen Leser geradezu die Frage aufdrängt, wie sich die Ansicht, dass Awraham
der Begründer des ʻEin-Gʻtt-Glaubensʻ ist, mit einer objektiven Betrachtung der
Schriftstellen überhaupt vereinbaren lässt. Denn während gerade dieses Motiv in der Torah
gänzlich zu fehlen scheint, wird auf Awrahams Verdienste von Gʻtt selbst Bezug
genommen: “Denn Ich habe ja nur deshalb Mein besonderes Augenmerk auf ihn gerichtet,
damit er seine Kinder und sein Haus nach sich verpflichte, dass sie den Weg Gʻttes hüten,
Pflichtmilde (Zedaka) und Recht (Mischpat) zu üben ...“ (Bereschit 18:19).

Awrahams Persönlichkeit wird von der Torah durchaus vielseitig präsentiert. Seine
Antwort auf Gʻttes Ruf wird hervorgehoben, die Tatsache, dass er so ohne weiteres Gʻttes
Ruf folgt und den Wanderstab auf sich nimmt, sein Streiten mit Gʻtt um die Rettung
Sʻdoms, sein Streben nach Güte und Liebe. Es wird berichtet, wie Awraham selbstlos für
seinen Neffen Lot in den Krieg zieht, und vor allem, wie er seinen Sohn Jitzchak Gʻtt
darzubringen bereit ist. Doch nirgends tritt uns Awraham als Religionsstifter entgegen ... er
ruft jedoch eine religiöse Erneuerungsbewegung ins Leben und ruft zur Rückkehr
(Tʻschuwa), zum Glauben an den e i n e n Gʻtt auf.

Awraham ist somit n i c h t ʻErfinderʻ des ʻEin-Gʻtt-Glaubensʻ. Er hat den Mut, den
ʻEin-Gʻtt-Glaubenʻ von einst, den zwar alle kannten, aber längst abgeschrieben hatten, zu
propagieren.

Ein Beleg für unsere Auffassung ist Malkizedek, der König von Schalem, auch er ein
ʻPriester des höchsten Gʻttesʻ. Die Begegnung Awrahams mit Malkizedek ist eindeutiger
Beweis dafür, dass Awraham kein Religionsgründer ist. Die kleine Stadt, Schalem bzw.
Jeruschalajim, die Awraham auf seinem Weg von einem großen Zivilisationszentrum zu
einem anderen (Ägypten) durchquert, dient Awraham, nicht anders als alle - selbst die
abgelegensten - Stationen seines Weges, als die Bühne, von wo aus er furchtlos zur
Rückkehr zum alten Gʻttesglauben aufruft. Überall auf dem Weg baut Awraham Altäre dem
e i n e n Gʻtt und gibt seinen Glauben kund.

Wir nähern uns hiermit der biblischen Auffassung von Awraham. Er ist n i c h t der
ʻErfinderʻ, der der erstaunten Welt ein neues, auf dem e i n e n Gʻtt basierendes
Glaubenssystem präsentiert - seinen Glauben glaubten bereits die Urväter der Menschheit.
Er ist jedoch der erste seit langen Generationen, der diesen Glauben wieder mit der ihm
gebührenden Ernsthaftigkeit ausstattet. Awraham ist ein großer Mann, ein bedeutender
Stammesfürst, der sich in den Gegensatz zu den Grundwerten der ganzen damaligen
Kultur und Zivilisation stellt, indem er den Namen des Ewigen, seines Gʻttes anruft. Daher
geht er auf Wanderung und versucht, auf seinem Weg die ʻEin-Gʻtt-Gläubigenʻ um sich zu
sammeln und den alten Glauben auf der ganzen Welt wiederzubeleben. Awraham Awinu
ruft ʻden Namen Gʻttes anʻ und hat überall auf seinem Weg nur das eine Anliegen: zur
Rückkehr zu dem e i n e n Gʻtt zu mahnen.