Jom HaKippurim

07. Februar 2012 geschrieben von   Freigegeben in Jom HaKipurim

ב"ה

Jom Kippur Jom-Ha-KippurimDenn an diesem Tag wird Er euch Sühne bringen,

um euch zu reinigen; von all euren Sünden werdet

ihr vor G-tt rein sein.“ (Wajikra16,30)

Der JOM HAKIPPURIM ist der höchste jüdische Feiertag, der heiligste Tag im ganzen Jahr; auf deutsch wird er „Tag der Versöhnung“ genannt. Das Wort KIPPUR, kommt von der hebräischen Wurzel „K-P-R“ ist in seiner Bedeutung komplex. Man kann es übersetzen mit: bestreichen, verpichen, bedecken, sühnen, entsühnen, entsündigen und abwenden. Ferner findet sich diese Wurzel auch in dem Wort KAPPORETH, so heißt der Deckel der Bundeslade, der Ort der Sühne, der Versöhnung zwischen HASCHEM und ISRAEL und auch ein Vorhang wird so bezeichnet. Dies alles lässt erahnen, welche Bedeutung der JOM HAKIPPURIM hat, nämlich Sühne, Versöhnung zwischen G-tt und Seinem Volk, die Schuld wird bedeckt, zugedeckt, verpicht in dem Sinne, dass ein Kapitel vollständig abgeschlossen ist und durch die vollkommene Streichung der Sünde ein neuer Anfang ermöglicht wird. In diesem Sinne erfährt der Mensch eine Wiedergeburt, er kommt gewissermaßen vollkommen neu zur Welt. Was die Schuld zwischen G-tt und Mensch betrifft, kann der Mensch nur reuevoll um Vergebung bitten und G-tt selber gewährt ihm seine Bitte. Für die Schuld zwischen den Menschen, ist der Mensch selber verantwortlich, da ist es an ihm um Vergebung zu bitten und auch zu verzeihen. Dazu dient der Monat ELUL und insbesondere die zehn Tage der TESCHUWA, Umkehr zwischen ROSCH HASCHANA und JOM HAKIPPURIM, der als Höhepunkt dieser Zeit gefeiert wird.

Der erste JOM HAKIPPURIM war, als MOSCHE mit den zweiten Tafeln des Bundes vom SINAI zurück kam. Die Sünde mit dem goldenen Kalb führte dazu, dass G-tt zu Mosche sagte: “...und nun lass Mich, dass Mein Zorn wider sie entbrenne und Ich sie vernichte; dich aber will Ich zu einer großen Nation machen.“ (Schmot 32,10) MOSCHE wusste jedoch, dass dies niemals G-ttes Wille sein konnte, sondern seine Prüfung war, G-tt will, dass sich der begrenzte Mensch an Ihm, dem grenzenlosen und Seiner nie endenden Barmherzigkeit festhält und so „ließ“ er HASCHEM nicht (los) und bat für Sein Volk um Erbarmen. Dies rechnete G-tt Mosche so hoch an, dass Er ihm zeigte, wie der Mensch, selbst wenn es von G-ttes Seite als unmöglich erscheint, die Möglichkeit zur Umkehr hat, indem Er MOSCHE die „13 Eigenschaften der Barmherzigkeit G-ttes“ offenbarte. G-ttes Antwort auf Sünde ist, wenn der Mensch bereit ist zu Ihm zurückzukehren, Versöhnung und so gab Er die zweiten Tafeln des Bundes, die zeigen, dass G-tt den Menschen niemals aufgibt, dass Er nicht die Vernichtung, sondern die Wiederherstellung der Beziehung will. So ist nur verständlich, das JOM HAKIPPURIM ein Tag der Freude, der inneren Heiterkeit ist, an dem sich auf der einen Seite G-tt wieder dem Menschen zuwendet und auf der anderen Seite der Mensch, mit der Sehnsucht nach Selbstverbesserung, zu G-tt zurückkehrt.

Die Struktur des JOM HAKIPPURIM

1. Gebräuche

Der Tag vor JOM HAKIPPURIM dient noch einmal der Vorbereitung auf den großen Festtag.

  • Nun hat man die letzte Möglichkeit seine Mitmenschen um Verzeihung zu bitten und die Schuld wieder gut zu machen.

  • Ein alter Brauch, seine Sünden zu sühnen ist das „KAPPARA-SCHLAGEN“. Mit einem entsprechendem Gebet um Erlösung, Heilung und Rettung für einen Menschen wurde in den frühen Morgenstunden ein Hähnchen um den Kopf geschwungen, das dann dem Schächter übergeben wurde, der es an eine arme Person weitergab. Heute legt man Geld für eine Mahlzeit in ein Taschentuch, schwingt es mit dem selben Gebet um den Kopf und leitet es als ZEDAKA an einen Bedürftigen weiter.

  • Eine besondere Bedeutung kommt an diesem Tag dem MINCHA zu, das so früh wie möglich gesprochen wird. Bei der Wiederholung der AMIDA spricht man das WIDUI, das Sündenbekenntnis, welches in insgesamt zehn mal während JOM HAKIPPURIM gesprochen wird.

  • Der Prozess der Wiedergeburt, der zu ROSCH HASCHANA anfing und nun am JOM HAKIPPURIM vollendet wird, findet auch Ausdruck im Besuch der MIKWE.

  • An diesem Tag gibt man mehr ZEDAKA als sonst.

  • Es ist Pflicht ein großes, feierliches Mahl vor dem Fasten zu halten, das eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang beendet sein sollte. Dieses Essen ist genauso wichtig wie das Fasten und die Weisen sagen, dass das Essen vor JOM HAKIPPRIM so zählt, als ob man zwei Tage gefastet hätte.

  • Nach der letzten Mahlzeit, bevor man in die Synagoge geht, segnen die Eltern ihre Kinder.

  • Der Tag wird durch das Anzünden der Kerzen durch die Frau mit dem Segensspruch: „Gelobt seist Du, Ewiger, unser G-tt, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, das Jom Kippur-Licht anzuzünden. Gelobt seist Du, Ewiger, unser G-tt, König der Welt, der uns Leben und Bestand gegeben und uns diese Zeit hat erreichen lassen.“

  • Man ist an diesem Feiertag im Bewusstsein, wie die Engel in Reinheit vor G-tt zu stehen, ganz in weiß gekleidet, manche tragen ihre Sterbekleider.

  • JOM HAKIPPURIM wird durch fünf Gebete strukturiert, in deren Zentrum die AMIDA steht, in der die Essenz dieses Tages durch Einfügung von Schuldbekenntnissen, der Wunsch nach Rückkehr zu G-tt in der Gewissheit Seiner Barmherzigkeit zum Ausdruck kommt:

  • Das MAARIW (Abendgebet) am EREW JOM HAKIPPURIM, das mit dem KOL NIDREI, dem Gebet um Befreiung von Gelübden, das man in den Tallit gehüllt spricht, beginnt ,

  • am Morgen des JOM HAKIPPURIM das SCHACHARIT (Morgengebet), hier wird auch der Verstorbenen gedacht,

  • direkt danach folgt das MUSSAFGEBET (zusätzliches Gebet).

  • Am Nachmittag MINCHA (Nachmittagsgebet), in der HAFTARA wird hier das Buch Jona gelesen

  • und am Ende von JOM HAKIPPURIM steht das NE'ILA (Schlussgebet), dass mit dem Blasen des SCHOFARS beendet wird.

  • Danach sagt man zueinander: „LESCHANA HABA'A BIJERUSCHALAJIM HABNUJA“ (das nächste Jahr im (wieder)erbautem Jeruschalajim).

2. Gebote

Entsprechend den fünf Gebeten, gibt es fünf besondere Verbote und sie sind Gesetz:

  • nicht essen und trinken

  • sich nicht waschen

  • sich nicht salben (eincremen)

  • keine Lederschuhe tragen

  • Enthaltung von ehelichem Verkehr

Diese Dinge zu unterlassen bedeutet auf keinen Fall eine Peinigung, und hat auch nichts mit Trauer zu tun, ist doch JOM HAKIPPURIM der höchste Festtag, sondern der Verzicht auf diese fünf Dinge hilft uns, über unsere physische Realität hinauszuwachsen hinein in eine spirituelle, macht den Menschen sozusagen Engeln gleich, die der aufgeführten Dinge auch nicht bedürfen.

Die Essenz von JOM HAKIPPURIM

Beleuchtet man die strukturellen Elemente von JOM HAKIPPURIM, erhält man einen Einblick in die Essenz dieses Tages. Bereits die Handlungen im Vorfeld von JOM HAKIPPURIM, Versöhnung untereinander, das Geben von mehr ZEDAKA, die Selbstbesinnung und -prüfung, die Bereitschaft und der sehnlichste Wunsch sich wieder G-tt zuzuwenden, sich zu ändern zeigen die Ernsthaftigkeit und die Heiligkeit dieses Tages. Diese Stimmung setzt sich fort im KOL NIDREI Gebet, welches auf eine ernsthafte, fast traurige Art und Weise intoniert wird. Geschichtlich gesehen ist dieses Gebet auf die Marannenzeit in Spanien zurückzuführen, als die Juden mit dem Schwert gezwungen wurden zum Christentum überzutreten und damit Gelübde auf sich nehmen, die sie gegen ihren Willen erfüllen mussten. Es geht also nicht um leichtfertige Schwüre, sondern hier wird deutlich, wie ernst sie und die daraus resultierenden Taten genommen werden.

Beim Sprechen des „SCHMA JISRAEL“, wird der zweite Teil, im Gegensatz zu allen übrigen Tagen des Jahres, laut gesprochen. Der Midrasch erzählt, das MOSCHE RABENU im Himmel den Engeln zuhörte, als sie dieses Gebet sprachen und er es war, der es auf die Erde brachte. Aus Respekt vor den Engeln, wird dieses Gebet leise gesprochen, aber am JOM HAKIPPURIM sind wir wie die Engel und sprechen es deshalb mit ihnen zusammen laut.

Das WIDUI, das Sündenbekenntnis ist länger und enthält eine Liste spezifischer Sünden, die kollektiv bekannt werden, das bedeutet zum einen, dass sich keiner aus der Gemeinschaft ausschließt und zum anderen, dass keiner beschämt wird und jeder die Möglichkeit hat, sich wiederzufinden. Zur TESCHUWA gehören drei Elemente:

  • das klare Aussprechen, Benennen der Sünden

  • Reue und Scham zu zeigen

  • der Vorsatz es nie wieder zu tun

Die ersten beiden Elemente sind im WIDUI enthalten, das letzte fehlt jedoch. Das muss jeder persönlich tun, die Gemeinschaft kann einen vor G-tt nicht verpflichten, das ist eine persönliche Angelegenheit.

Das fünfte Gebet, das NEILA, das die Gebetsgemeinschaft aus dem JOM HAKIPPURIM herausträgt, wird nur am JOM HAKIPPURIM gebetet. Das Sündenbekenntnis ist hier kürzer, hat dafür aber einen Einschub, der die Gewissheit ausdrückt, dass G-tt den Umkehrenden annimmt: „Du reichst die Hand den Frevlern, und Deine Rechte ist ausgestreckt, um Umkehrende aufzunehmen. Du hast uns gelehrt, Ewiger, unser G-tt, vor Dir alle unsere Sünden zu bekennen, damit unsere Hände von der Gewalt lassen und Du uns annimmst mit unserer vollständigen Umkehr zu Dir ... Denn Du verzeihst Israel, vergibst den Stämmen Jeschuruns in jeder Generation, und außer Dir haben wir keinen König, der vergibt und verzeiht, nur Dich.“ (aus dem Machsor für JOM KIPPUR) Es schließt mit der Anerkennung der Einheit G-ttes. Vor dem geöffneten ARON HAKODESCH, Thoraschrank spricht der Vorbeter und die Gemeinde mit größter Andacht laut das „SCHMA JISRAEL“ in der Form, dass der erste Teil einmal, der zweite Teil dreimal laut gesprochen wird. Es endet mit der siebenmaligen Proklamation: „Der Ewige, Er ist der G-TT“. Danach wird der ARON HAKODESCH geschlossen und noch einmal ertönt das SCHOFAR mit der TEKIA GEDOLA.

Zu den Gebeten, die Ehrfurcht vor G-tt, die Bereitschaft zur Umkehr, die Gewissheit der Vergebung ausdrücken und die jedem ernsthaft betenden Heilung und Befreiung zuteil werden lassen, tritt durch die fünf Gebote der Enthaltsamkeit ein besonderes Maß an Heiligkeit und Spiritualität hinzu. Ohne Sorge um die alltäglichen Dinge, wie Essen und Trinken, in der völligen Konzentration auf das Spirituelle und so in der Gemeinschaft mit sich selbst und seinem Schöpfer, steigt der Mensch über seine physische Natur hinaus, verlässt die Stufe des bloßen Hörens des SCHOFARS und betritt einen spirituellen Raum der Gelassenheit und Heiterkeit. So wird JOM HAKIPPURIM zu dem große Tag der Ruhe, der Distanz zu allem weltlich Alltäglichem, an dem man eine neue wahrheitsgetreuere Sicht bekommt. Es geziemt sich, an diesem Tag seine Sünden zu bekennen, denn: „Denn an diesem Tage wird Er euch sühnen, um euch zu reinigen: von allen euren Sünden werdet ihr rein sein vor dem Ewigen.“ (Wajikra16,30) Am JOM HAKIPPURIM steht man vor HASCHEM und wird gereinigt.

Die Herrlichkeit und die Stärke des Tages besteht also darin, dass unsere kleine Kraft, die Kraft des Körpers, des Verlangens keine Macht mehr über uns hat. Um das zu verstehen, müssen wir uns mit der Bedeutung der fünf Verbote beschäftigen. Diese fünf verbotenen Dinge repräsentieren die Verankerungspunkte der Seele mit dem Körper, sie vereinen Körper und Seele, das Physische mit dem Spirituellem. An dieser Stelle sei dies nur am Beispiel des Essens erläutert. Durch Nahrungsaufnahme erhält sich der Mensch am Leben, hört er auf zu essen, stirbt er. Es kommt durch die Speise also etwas Unendliches, Unfassbares, eine spirituelle Kraft, die sich mit dem Körper, dem Physischen, Endliche vereint und so zum „Klebstoff“ zwischen Seele und Körper wird. Am JOM HAKIPPURIM wird darauf verzichtet, Gegensätze zu verbinden, das braucht man an diesem Tag nicht mehr, man ist wie die Engel im Himmel. Hier wird noch einmal klar, dass JOM HAKIPPURIM kein Tag der Trauer oder der Angst ist, sondern ein Tag, um in Reinheit vor G-tt zu stehen, G-tt so nahe wie sonst nie zu sein. Die Gebräuche und Gebote dieses Tages helfen uns, uns G-tt zu nahen. Aber selbst ohne sie bleibt der sehnlichste Wunsch HASCHEMS, dass die Menschen zu Ihm zurückkehren mögen und so hat JOM HAKIPPURIM, unabhängig vom Tun der Menschen, die Kraft der Sühne in sich selbst, denn HASCHEM selber ist es, der uns von allen Sünden reinigt. Mögen wir diesen Tag nutzen, um G-tt nahe zu sein und so schuldlos, rein, echt, untadlig und authentisch zu werden.

basierend auf einem Vortrag von Baruch Ben Mordechai