Fasten 10. Tewet
Der Zehnte Tewet עשרה בטבת
Am 10. Tewet begann Nebukadnetzar II. König von Babel die Belagerung von Jeruschalajim, die in der Vernichtung des Reiches Jehuda und der Zerstörung des I. Tempels endete. Heute ist dieser Tag als einer der vier Fasttage zum Gedenken an die Zerstörung Jeruschalajims bestimmt, zusammen mit dem Fasten Gedaljas (der erste Jom Chol Wochentag nach Rosch HaSchana), dem 17. Tamus und dem 9. Aw.
Die Belagerung begann am 10. Tewet am Ende des neunten Regierungsjahres von Zidkijahu (588 v.u.Z.) und dauerte 1 ½ Jahre bis zum CHURBAN Zerstörung des Tempels am 9. Aw im elften Regierungsjahr von Zidkijahu. Im ersten Jahrhundert v.u.Z. wurde Jeruschalajim zwei Mal an diesem Tag geplündert; 63 v.u.Z. durch Pompejus und 36 v.u.Z. durch Herodes.
Im Tana“ch wird der 10 Tewet als Beginn der Belagerung genannt: „Und es geschah im neunten Jahre seiner Regierung, im zehnten Monat, am Zehnten des Monats, da kam Nebukadnezar, der König von Babel, er und sein ganzes Heer, wider Jeruschalajim und belagerte es; und sie bauten eine Verschanzung wider dasselbe ringsumher“ (II Mlachim 25,1, Jirmejahu 52,4).
Der Prophet Jecheskel, der bereits zur Zeit des Königs Jechanja, dem Vater von Zidkijahu, nach Babel verschleppt worden war, empfing an diesem Tag eine Prophetie über den Beginn der Belagerung: „1 Und das Wort des Ewigen geschah zu mir im neunten Jahre, im zehnten Monat, am Zehnten des Monats, also: 2 Menschensohn, schreibe dir den Namen des Tages auf, dieses selbigen Tages! An diesem selbigen Tage rückt der König von Babel gegen Jeruschalajim heran“ (Jecheskel 24,1-2). Der Prophet vergleicht Jeruschalajim mit einem Kessel über dem Feuer, und seine Bewohner mit kochenden Fleischstücken und Knochen. Das Gleichnis spricht vom Zorn G-ttes über Jeruschalajim, der den König von Babel benutzt, um die Stadt von den Sündern abzutrennen.
Auch der Prophet Secharja erinnert in seiner Propheite das Fasten des Zehnten (8,19), der zusammen mit den anderen Fasttagen in Jubel und Freude verwandelt wird.
Nach Meinung des Rabbi Akibba, die zur Halacha wurde und bis heute angewandt wird, ist das Fasten des Zehnten der 10. Tewet, an dem Nebukadnetzar über Jeruschalajim kam (bRosch HaSchana 18b).
Nach Meinung des Rabbi Schim’on bezieht sich das Fasten des Zehnten (d. i. der zehnte Monat nach dem Monat Nissan) auf den 5. Tewet, denn an diesem Tag erreichte die schlechte Nachricht über die Zerstörung Jeruschalajim die Verbannten. Entsprechend lesen wir bei Jecheskel (33,21-22): „21 Und es geschah im zwölften Jahre unserer Wegführung, im zehnten Monat, am Fünften des Monats, da kam ein Entronnener aus Jeruschalajim zu mir und sprach: Die Stadt ist geschlagen! 22 Und die Hand des Ewigen war am Abend über mich gekommen vor der Ankunft des Entronnenen, und Er hatte meinen Mund aufgetan, bis jener am Morgen zu mir kam; und so war mein Mund aufgetan, und ich verstummte nicht mehr.“
Wie am 17. Tamus und am Zom Gedaljas, so ist auch am 10 Tewet nur das Trinken und Essen nicht gestattet, anderes als am 9. Aw, an dem weitere Einschränkungen gelten. Das Fasten beginnt mit dem Sonnenaufgang und dauert bis zum Abend. Nach Rabbi Abudraham[1], der sich auf die Gaonim stützt, gilt, dass wenn der 10. Tewet auf einen Schabbat fällt, verdrängt er diesen und es wird gefastet; dies im Gegensatz zu anderen Fasttagen, die von den Rabbanan festgelegt wurden, denn seine Quelle ist im Vers (Jecheskel 24,2) zu finden: „eben an diesem Tag“. Entsprechend dem hebräischen Kalender, der heute im Gebrauch ist, kann jedoch der 10. Tewet nicht auf einen Montag und einen Schabbat fallen, so dass die Entscheidung von Rabbi Abudraham nicht zur Anwendung gelangt. Dennoch ist seine Entscheidung bedeutend, denn sie verdeutlicht das Gewicht des Tragödie des 10. Tewet in den Augen des Ewigen.
Im Gegensatz zu den Fasttagen des Einzelnen verdrängt das Fasten des 10. Tewet auch die Freude während der sieben Feiertage des Bräutigams, wie es heißt: „5 Wenn ich dein vergesse, Jeruschalajim, so vergesse meine Rechte! 6 Es klebe meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich Jeruschalajim nicht erhebe über die höchste meiner Freuden!“
Die Bestimmungen des 10. Tewet entsprechen den anderen „leichten“ Fasttagen Jeruschalajims: dem Fasten Gedaljas und dem 17. Tamus. Zu Schacharit (Morgengebet) des 10. Tewet sagt man Slichot (die Aschkenasim auch „Awinu Malkenu“), und es wird der Abschnitt „ויחל משה und es flehte Mosche“ (Schemot 32,11ff) aus der Parascha Ki Tissa gelesen. Zur Mincha (Nachmittagsgebet) lesen die Aschkenasim die Haftara „דרשו Suchet den Ewigen“ (Jeschajahu 55,6ff).
Kranke sowie schwangere und stillende Frauen fasten nicht.
Mit dem 10. Tewet verbinden wir auch das Gedenken an die Übersetzung der Thora in die griechische Sprache (8. Tewet) und an den Tod von Esra und Nechmija (9. Tewet).
Das Oberrabbinat Israels bestimmte am 27. Kislew 5711 (06.12.1950) den 10. Tewet als einen allgemeinen, für alle Juden verpflichtenden, Kaddischtag zum Gedenken an alle Verstorbenen und Ermordeten (besonders während der Naziherrschaft), deren Todestag unbekannt ist. Es ist üblich an diesem Tag Kerzen für die verwandten Verblichenen anzuzünden ( אור נשמה), für sie den Kaddisch und für die Erhebung derer Seelen zu beten. Alle, deren Eltern heimgegangen sind, vereinen sich im Kaddisch der Versammlung.
[1] Rabbi David ben Joseph ben David Abudraham (Spanien, Seville, 14. Jahrhundert), ist durch sein Kommentar der Liturgie, das schlicht „Sefer Abudraham“ genannt wird, bekannt geworden.