Paraschat “CHUKAT“ Empfehlung

28. Juni 2020 geschrieben von   Chana Rachel Freigegeben in Chukat

ב"ה

Paraschat “CHUKAT“

Auszug aus: Zeitlos aktuell - Gedanken zum Wochenabschnitt, von Dr. Zwi Braun

Miriams Brunnen

Und es kamen die Bnej Israel, die ganze Gemeinde, in die Wüste Zin, im ersten Monat,
und das Volk ließ sich in Kadesch nieder. Da starb dort Miriam und wurde dort begraben.
Und es gab kein Wasser für die Gemeinde ...“ (Bamidbar 20: 1,2).

Miriam war die erste der drei Geschwister, die im vierzigsten Jahr der Wüstenwanderung
starb (Raschbam, Ibn Esra). Der erste Monat ist Nissan, doch das genaue Datum nennt
uns die Tora nicht. Rabbi Jakow ben Ascher, der Baal HaTurim, gibt in seinem
halachischen Werk “Arba Turim“ dafür den 10. Nissan an (Orach Chajim 580:2). Obwohl
ein Todestag eher ein trauriges Datum ist, wirkten die Verdienste von Miriam in die Zukunft
hinein. Am 10. Nissan des folgenden Jahres überquerten die Bnej Israel den Jarden und
zogen in Erez Israel ein (Jehoschua 4:19). Der Talmud bemerkt dazu: “Man führt Gutes an
einem guten Tag und Böses an einem bösen Tag herbei (Taʻanit 29a).

Rabbiner Samson Raphael Hirsch hält in seinem Kommentar zur Stelle einen Nachruf
auf Miriam:
“Ihr Grab in Kadesch möchte noch den späteren Geschlechtern sagen, dass sie die
Erde nicht eher verließ, bis das neue Geschlecht zum Antritt der verheißenen Zukunft
bereitstand. In der langen, an trüben Erfahrungen so reichen Wanderung beteiligten sich
an den wiederholten verzweiflungsvollen Abfällen von Gʻtt eben die Frauen am wenigsten.
Die Frauen bewahrten am meisten das heitere Vertrauen und die ausharrende Hingebung
an Gʻtt. Die Frauen waren daher auch in das Verhängnis des Aussterbens in der Wüste
nicht mit einbegriffen (Midrasch Rabba). Es zogen nun in diesem neuen Gechlecht für die
neue Zukunft Großmütter und Mütter in das Land der Verheißung mit hinein. Sie nahmen
das lebendige Gedächtnis der ägyptischen Vergangenheit und der großen Erlebnisse der
Wanderschaft durch die Wüste unter Gʻttes Schutz und Gʻttes Führung mit hinüber in diese
neue Zukunft. Und sie vermochten Enkel und Urenkel mit dem Geist dieser Gʻtt
schauenden Erlebnisse zu tränken. So dürfte an dieser ganzen früheren und tieferen
Ausrüstung der jüdischen Frauen mit jüdischem Geist, der Wirksamkeit Miriams, die ihnen
als Prophetin voranleuchtete, ein nicht geringer Anteil zuzuschreiben sein.“
Raschi verknüpft den Bericht über das Ableben Miriams mit dem vorangehenden
Kapitel der Roten Kuh. Deren Asche diente dem Reinigungsprozess der Menschen, die mit
einem Toten in Berührung gekommen waren. Raschi gewinnt dem Tod Miriams einen
positiven Aspekt ab und zitiert den Talmud: “So wie die Opfer (auch die Rote Kuh) Sühne
herbeiführen, so bewirkt auch der Tod von Zaddikim Sühne“ (Moʻed Katan 28a). Der
Talmudkommentar “Anaf Josef“ erklärt diesen Zusammenhang. Das Paradox der Para
Aduma bestand darin, dass sie zwar den Unreinen Reinigung brachte, die mit der
Reinigungszereminie befasste Person jedoch bis zum Abend unrein wurde. Auch der Tod
eines Zaddik oder einer Zadekket weist diesen doppelten Aspekt auf: Diese Persönlichkeit
hinterlässt eine nicht auszufüllende Leere, wir trauern um sie. Andererseits bewirkt ihr
Ableben Sühne und Vergebung für die zurückbleibende Gemeinschaft. Nicht zuletzt
dadurch, dass diese durch den Schock des Hinscheidens zur Umkehr, Tʻschuwa, bewegt
wird.
Das Ausbleiben der Wasserversorgung führt der Talmud direkt auf den Tod von Miriam
zurück:
Rabbi Jossi ben Jehuda sagte: “Drei gute Verwalter hatte Israel: Mosche, Aharon und
Miriam. Ihretwegen wurden ihnen drei wertvolle Geschenke zuteil: der Brunnen, die
Wolkensäule und das Manna. Der Brunnen (Schabbat 35a) wegen des Verdienstes
Miriams (sie bewachte Mosche in seinem Körbchen im Nil). Die Wolkensäule wegen des
Verdienstes Aharons, und das Manna wegen des Verdienstes Mosches. Als Miriam starb,
verschwand der Brunnen, denn es heißt: ʻDa starb dort Miriamʻ, worauf folgt: ʻUnd es gab
kein Wasser für die Gemeindeʻ. Durch das Verdienst beider (Mosche und Aharon) aber
kam er wieder“ (Taʻanit 9a).
Im Lehrhaus von Rabbi Jischmael wurde eine andere Begründung für die drei
göttlichen Wohltaten gelehrt: Er führte sie auf den Empfang der drei Engel durch Awraham
zurück (Bereschit 18:4):
“Als Belohnung für drei Dinge wurden ihnen drei Dinge beschieden: Als Belohnung für
Butter und Milch wurde ihnen das Manna beschieden. Als Belohnung dafür, dass er neben
ihnen unter dem Baum stand (sie beschützte), wurde ihnen die Wolkensäule beschieden.
Als Belohnung für das bisschen Wasser, das er ihnen holen ließ, bekamen sie den
Brunnen“ (Baba Mezia 86b).

Doch widersprechen sich die beiden Talmudstellen im Grunde nicht. Die guten
Charaktereigenschaften, die in Awraham, dem Stammvater des jüdischen Volkes zu finden
waren, waren auch bei seinen Nachfahren anzutreffen und sind bis heute für uns Juden
Verpflichtung geblieben!