Wochenabschnitt Va-Etchanan, Mitzwot

20. Februar 2012 geschrieben von   Freigegeben in Paraschat Ha Schawua Mitzwot

ב"ה

Mitzwot Nrn. 421-422

(nach Rambams Zählung Gebote Nrn. 12 und 13)

Die Mitzwot, Tefillin auf Arm und Kopf zu binden

clip_image002

clip_image004

 

 

Dewarim/5. Mose 8:10

„Und du sollst sie binden zum Wahrzeichen an deine Hand,

und sie sollen sein zum Denkbande zwischen deinen Augen.“

 

Von Menachem Jossi Buch (Tewet 5772 / Januar 2012)

 

I. Was sind Tefillin?

Tefillin gehören mit zu den bedeutsamsten Konzepten im Judentum. Die Torah erwähnt die Pflicht, Tefillin zu legen, daher an vier Stellen und verwendet hierbei die Begriffe „Wahrzeichen“, „Denkmal“ und „Denkband“:

· „Und es sei dir zum Wahrzeichen (תוא - ot) an deiner Hand und zum Denkmal (ןורכז - sikaron) zwischen deinen Augen, damit die Lehre (הרות - torah) des Ewigen sei in deinem Munde, dass mit gewaltiger Hand dich der Ewige geführt hat aus Mitzrajim.“ (Schemot/2. Mose 13:9)

· „So sei es zum Wahrzeichen an deiner Hand und zum Denkbande (תפטוט - totafot) zwischen deinen Augen, dass mit Gewalt der Hand uns der Ewige geführt aus Mitzrajim.“ (Schemot/2. Mose 13:16)

· „Und du sollst sie binden zum Wahrzeichen an deine Hand, und sie sollen sein zum Denkbande zwischen deinen Augen.“ (Dewarim/5. Mose 6:8)

· „Und ihr sollt sie binden als Wahrzeichen auf eure Hand, und sie seien zum Denkbande zwischen euren Augen.“ (Dewarim/5. Mose 11:18)

clip_image006

Sefer ha-Chinuch (R. Aharon ha-Levi von Barcelona, 13. Jh.) schreibt hierzu (Mitzwa 421-422): „Du sollst sie binden zum Wahrzeichen an deine Hand“. Dieser Vers wurde interpretiert (Mechilta, Bo), dass wir aus dem Text der Torah vier Abschnitte an unsere Hand binden müssen. Es sind dies die folgenden vier Abschnitte, in denen die zuvor genannten vier Verse enthalten sind:

· „Heilige mir alles Erstgeborene ... (יל שדק - kadesch li)“ (Schemot/2. Mose 13:2-10)

· „Und es soll geschehen, wenn dich (der Ewige) bringen wird ...“ (ךאיבי יכ היהו - we-haja ki jewi’acha) (Schemot/2. Mose 13:11-16)

· „Höre Israel ...“ (לארשי עמש - Sch’ma Jisrael) (Dewarim/5. Mose 6:4-9)

· „Und es wird geschehen, wenn ihr (auf meine Stimme) hören werdet ...“ (היהו עמש םא - we-haja im schamo’a) (Dewarim/5. Mose 11:13-21)

Diese vier Torah-Abschnitte (parshiyot) sind in den Hand-Tefillin (tefillin schel jad) zusammen auf einem langen schmalen Streifen Pergament in vier einzelnen Blöcken geschrieben, während sie in den Kopf-Tefillin (tefillin schel rosch) auf vier einzelnen schmalen Pergamentstreifen aufgebracht sind. Daher besteht das Gehäuse der Hand-Tefillin auch nur aus einem einzigen kubusförmigen Innenraum, in dem dieser eine Pergamentstreifen aufgerollt eingebettet ist. Das ebenfalls kubusförmige Gehäuse der Kopf-Tefillin setzt sich aus vier einzelnen, miteinander vernähten schmalen Kästchen zusammen, in die diese vier Pergamente gefaltet jeweils einzeln eingelegt werden.

clip_image008

Wie uns im Talmud berichtet wird (bBerachot 6a), trägt HASCHEM selbst Tefillin. Nach einer Begründung, warum dies so ist, heißt es dort weiter: „R. Nachman ben Jitzchak sprach zu R. Chija ben Abin: Was steht in den Tefillin des Herrn der Welt geschrieben? Dieser erwiderte: Wer ist wie Dein Volk Israel, ein einziges Volk auf Erden (Diwrej ha-Jamim Alef/1. Chr. 17:21)?. - Prahlt denn der Heilige, g.s.E., mit dem Ruhme Israels? – Freilich; es heißt ja: Du hast heute den Herrn verherrlicht; und darauf folgt: und der Herr hat dich heute verherrlicht (Dewarim/5. Mose 26:17). Der Heilige, g.s.E., sprach zu Israel: Ihr habt mich zu einer Verherrlichung auf der Welt gemacht, daher werde ich euch zu einer Verherrlichung auf der Welt machen. Ihr habt mich zu einer Verherrlichung auf der Welt gemacht, wie es heißt: Höre Israel, der Herr ist unser G-tt, der Herr ist einzig (Dewarim/5. Mose 6:4). Auch Ich mache euch zu einer Verherrlichung auf der Welt, denn es heißt: Wer ist wie Dein Volk Israel, ein einziges Volk auf Erden (Diwrej ha-Jamim Alef/1. Chr. 17:21)?“

Während die Hand-Tefillin für alle Richtungen des Judentums vom Grundsatz her einheitlich gestaltet werden, sind bei den Kopf-Tefillin zwei unterschiedliche Ausfertigungen in Gebrauch, die auf eine seit der Zeit der Gaonim (6.-11 Jh.) unterschiedliche Auslegung des Talmud durch die Weisen zurückzuführen sind. In bMenachot 34b heißt es, dass sich die Abschnitte "Kadesch” und „We-haja ki jewiacha” auf der rechten Seite (vom Blickpunkt des Gegenübers aus betrachtet) und die Abschnitte „Sch’ma“ und „We-haja im schamo’a“ auf der linken Seite des Gehäuses befinden. Die Reihenfolge der Abschnitte im linken Bereich ist jedoch strittig. Die beiden unterschiedlichen Auffassungen werden vor allem von Raschi und Rabbenu Tam, dem Enkel von Raschi, vertreten. In den Kopf-Tefillin nach der Weise von Raschi sind die vier Torah-Abschnitte – aus der Perspektive des Betrachtung des Gegenübers - von rechts nach links in der Reihenfolge ihres Vorkommens in der Torah angeordnet; bei den Kopf-Tefillin nach der Weise von Rabbenu Tam werden die Abschnitte 3 und 4 dabei vertauscht.

Obwohl die Tefillin nach Raschi der allgemeingültigen Halacha entsprechen, verwenden vor allem Chassidim daneben auch solche nach der Weise von Rabbenu Tam, die sie erst an bestimmten Stellen im Gottesdienst anlegen.

Tefillin nach Raschi Tefillin nach Rabbenu Tam

clip_image010 clip_image012

Von außen unterscheidbar sind die Tefillin nach Raschi von den Tefillin nach Rabbenu Tam dadurch, dass bei den ersteren die kleinen weißen Häärchen zwischen den Abschnitten 3 und 4 hervorkommen, während dies bei den Tefillin nach Rabbenu Tam zwischen den Abschnitten 2 und 3 der Fall ist.

clip_image014 clip_image016

II. Wie werden Tefillin hergestellt?

Tefillin werden aus dem Leder koscherer Tiere gefertigt (Rind, Schaf, Ziege). In diesem Zusammenhang unterscheidet man zwischen

· „Gassot“, die aus dickem Rindsleder hergestellt werden, wobei das gesamte Gehäuse einschließlich der vier inneren Kammern aus einem einzigen Stück Leder besteht, und

· „Dakkot“, die aus Schafs- oder Ziegenleder gefertigt werden und entweder auch aus einem einzigen Stück Leder (or echad) oder aber aus mehreren dünnen, miteinander verleimten Lederstücken (peschutim) zusammengesetzt sind.

Die einzelnen Teile der Tefillin werden Bayit (Gehäuse – viereckiger Kubus), Titura (viereckiges Fundament für das Gehäuse), Ma’abarta (Durchgang am Fundament für den Riemen), Retzu’a (Riemen) und Kescher (Knoten) genannt.

clip_image017

Nach der Überlieferung entspringen die einzelnen Vorschriften zu Bestandteilen und zur Anfertigung der Tefillin einer direkten, von HASCHEM mündlich an Mosche Rabbenu übermittelten Anweisung am Berg Sinai (Halacha le-Moshe mi-Sinai), wie etwa die Art des Pergaments, die schwarze Farbe der Riemen, die quadratische Form der Tefillin, die Form der Tefillin-Knoten, das zweifache Schin an den Kopf-Tefillin, die Sehnen zum Zusammennähen der Lederteile, die Verwendung von feinen Häärchen eines Kalbes etc. (vgl. bMenachot 35a; bEruvin 97a).

III. Was ist die Bedeutung der Tefillin?

Die eingangs erwähnten vier Abschnitte wurden nach den Worten des Sefer ha-Chinuch deshalb aus der Torah ausgewählt, weil darin

· die Annahme des himmlischen Königtums (קבלת עול מלכות שמיים - kabbalat ol malchut schamajim),

· die Einheit G-ttes (אחדת ה׳ - achdut HASCHEM) sowie

· der von HASCHEM bewirkte Auszug aus Mitzrajim (יצאית מצריים - jetzi’at Mitzrajim)

proklamiert wird, was auch den Glauben an die Erschaffung der Welt und die Waltung G-ttes über diese Welt (השגחת ה׳ - haschgachat HASCHEM) zwangsläufig mit umfasst. Diese bilden die Grundlagen der jüdischen Religion. Daher wurde uns befohlen, diese Grundlagen täglich (Anm.: außer am Schabbat und am Jom Tow – siehe unten) zwischen unsere Augen (Anm: dem Sitz des Denkvermögens – mo‘ach) und auf die Tafel unseres Herzens (lew) zu legen. Denn über diese zwei Organe sagten die Gelehrten, dass sie den Sitz des Verstandes bilden. Indem wir diese Texte als Andenken auf diese Organe legen, werden wir in unserem Glauben gestärkt, fügen ein Andenken an die Wege G-ttes hinzu und verdienen damit ewiges Leben.

Ein Grundgedanke der Mitzwa – so Sefer Chinuch weiter – ist, dass der Mensch, da er von Materie beschaffen ist, unumgänglich von Gelüsten angezogen wird; denn es liegt im Wesen der Materie, alles für sie Befriedigende und Angenehme zu verlangen, „wie ein Pferd, wie ein Maultier, ohne Verstand“ (Tehillim/Psalm 32:9), gäbe es nicht die Seele (נפש - nefesch), mit der uns G-tt begnadet hat, die uns nach ihren Möglichkeiten von der Sünde abhält. Nachdem sie im Bereich des Körpers weilt, nämlich auf der Erde, und weit von ihrem eigenen Gebiet – dem Himmel – entfernt, kann die Seele die Materie nicht besiegen, und die Kraft der Materie überwältigt sie ständig. Daher muss sie immer über zahlreiche Wächter verfügen, die sie vor ihrer bösen Nachbarin schützen, damit diese nicht gegen sie aufstehe und sie töte, da sie sich in ihrem Bereich und unter ihrer Macht befindet. Der allgegenwärtige G-tt wollte uns, das heilige Volk, verdienstvoll machen und befahl uns, mächtige Wachen um die Seele zu postieren. Darum wurde uns befohlen, dass die Worte der Torah Tag und Nacht nicht von unserem Mund weichen sollen, vier Schaufäden (ציצית - Zitzit) an die vier Ecken unseres Gewandes anzubringen, eine Mesusa (מזוזה) an unseren Eingängen und Tefillin an unseren Händen und Köpfen zu befestigen. All dies, um uns daran zu erinnern, vom Unrecht der Hände abzulassen und nicht nach unseren Augen und nach dem Trieb unseres Herzen zu schweifen.

Tefillin besitzen – wie etwa die Sefer Torah oder die Mesusa auch – eine ihnen innewohnende Heiligkeit (קדושה - keduscha). Rambam in Mischne Torah, Hilchot Tefillin 4:25 schreibt dazu, dass die Heiligkeit der Tefillin so groß ist, dass solange ein Mensch die Tefillin an Hand und Kopf trägt, er demütig und gottesfürchtig (יראת שמיים -jirat schamajim) sein wird. Er wird sich nicht zu Spott oder eitlem Gespräch herablassen, noch wird er bösen Gedanken nachhängen. Vielmehr wird er sein Herz für Wahrheit und Gerechtigkeit öffnen. Nach Tur (Orach Chajim 37) sind die Tefillin von solcher Bedeutung, dass wer immer sie ein Leben lang trägt, einen sicheren Anteil in der künftigen Welt haben wird und von Feuern des Gehinnom unberührt bleiben wird. Alle seine Sünden werden vergeben. Wer immer Tefillin (dauerhaft) nicht trägt, gehört zu der Kategorie von Juden, die mit ihrem Körper sündigen. Daher sollten alle besonders sorgfältig in der Erfüllung dieser Mitzwa sein.

Wir haben bereits gelernt, dass die Tefillin in der Torah u.a. „ot“ (Wahrzeichen) genannt werden. Als „ot“ werden in der Torah daneben auch bezeichnet

· die Brit Mila/Beschneidung
(„u-n’maltem et b’sar orlatchem we-haja le-ot wejni u-wejnejchem“ – „so dass ihr beschnitten werdet an dem Fleisch eurer Vorhaut und dies zum Bundeszeichen werde zwischen Mir und euch“; Bereschit/1.Mose 17:11) und

· der Schabbat
(„we-schamru bnej Jisrael et ha-schabbat la’asot et ha schabbat le-dorotam b’rit olam, bejni uwejn bnej Jisrael ot hi le-olam“ – „so sollen die Söhne Israels den Schabbat hüten, den Schabbat für ihre Nachkommen als ewigen Bund zu verwirklichen; zwischen Mir und den Söhnen Israels ist er für ewig ein Zeichen“; Schemot/2. Mose 31:17).

Das „ot“ als Wahrzeichen weist denjenigen, der es trägt, als den mit HASCHEM in einem besonderen Bund Stehenden und den insoweit von Ihm „wahrhaft Ausgezeichneten“ aus. Mit diesem Zeichen bekundet dieser Mensch gleichzeitig ein wahrhaftiges Zeugnis für denjenigen, auf den das „ot“ als Ursprung hinweist und der dieses Bundeszeichen gestiftet hat: auf HASCHEM selbst. Und da nach der Halacha immer mindestens zwei Zeugen vorhanden sein müssen, wenn ihr Zeugnis vor Gericht verwertbar sein soll, bedarf es neben dem Zeugnis der Brit Mila, die der Mann stets an sich trägt, eines zweiten „ot“: wochentags sind das die Tefillin als Zeichen und am Schabbat und Jom Tow diese Tage selbst, die in sich selbst dieses Zeichen sind.

Menachem ibn Saruk, der große hebräische Sprachgelehrte (10. Jh.), bietet einen weiteren Erklärungsansatz zur Bedeutung der Tefillin: Er weist hin auf die sprachliche Verbindung des Namens „Naftali“ (נפתלי – einer der zwölf Söhne von Jaakow Awinu) mit den Worten „patil“ (פתיל - d.h. befestigt bzw. verbunden) zusammenhängt, „Tefilla“ (תפילה - Gebet) und „Tefillin“ (תפילין), deren Wortwurzeln alle aus denselben Buchstaben (Peh, Taw, Lamed) besteht. Wenn wir beten und Tefillin tragen, verbinden wir uns mit dem Schöpfer. Einen weiteren Aspekt kann die neuhebräische Sprache erschließen: das aus den gleichen Wurzelbuchstaben bestehende Wort „p’til“ (פתיל) bedeutet auch Zündschnur: Tefilla und Tefillin als Zündschnur zur Entzündung des Feuers von HASCHEM!

Die Mitzwa von Tefillin dient also sowohl zur Erinnerung an unsere Verbindung mit HASCHEM als auch zu deren Aktivierung. Tefillin sind die physische Manifestation des Bandes zwischen dem jüdischen Volk und dem Schöpfer. Wie der Talmud sagt: „Der Mensch benötigt immer eines Zeichens seiner Verbindung mit G-tt; an Wochentagen sind dieses Zeichen die Tefillin“ (vgl. bEruwin 96a).

So schreibt der Sefat Emet (R. Jehuda Arjeh Leib Alter, 19. Jh., zitiert in Otzar Chajim, Schemot): Die Annahme des Jochs des Himmelreichs ist eine Sache des Intellekts. Gedanke ohne Handlung aber ist unzureichend. Weil die Welt der Gedanken an die Welt der Handlung gebunden werden muss, ist uns befohlen worden, Tefillin zu tragen. Tefillin zu tragen ist die physische Manifestation unseres Glaubens an den Schöpfer und unsere Annahme seiner Königsherrschaft.

Rabbi Aryeh Kaplan (20. Jh.) erklärt in seinem Buch „Tefillin“, dass die Windungen des Riemens der Hand-Tefillin um den Mittelfinger herum das Band der Liebe zwischen G-tt und Israel versinnbildlichen. In einem gewissen Sinn repräsentieren die gewundenen Riemen an diesem Finger den Hochzeitsring der Braut. Wir binden uns damit buchstäblich an G-ttes Liebe. Mit Hilfe der Tefillin können wir dieses Band tatsächlich sehen und fühlen. Wenn wir die Tefillin an unserem Körper festbinden, erleben wir erneut das Band der Liebe, das am Berg Sinai zwischen HASCHEM und Seinem Volk geknüpft wurde. Diese physische Darstellung ist nicht nur ein Zeichen für andere, damit sie es sehen, es ist vielmehr auch eine ständige Erinnerung für uns an unsere einzigartige Beziehung zu G-tt. Es ist eine Tatsache, dass jede Mitzwa, die wir tun, uns eine Gelegenheit vermittelt, diesem außergewöhnlichen Band Wertschätzung zu verleihen. Und doch unterscheiden sich die Mitzwot des Gedenkens an den Auszug aus Mitzrajim und der Tefillin dadurch, dass sie tägliche Verpflichtungen sind, die unsere spezielle Beziehung zu G-tt repräsentieren. Wir sollten diese Gebote in Liebe und mit Enthusiasmus ausüben, wie es sich für ein auserwähltes Volk gehört.

Von den Tagen von Mordechai und Ester ha-Malka heißt es: "Bei den Juden war Licht und Freude und Fröhlichkeit und Ehre" (Ester 8:16) Nach bMegilla 16b und Raschi (a.a.O.) beziehen sich die Worte „Licht“ (אורה) auf die Torah, „Freude“ (שמחה) auf die Feiertage, „Fröhlichkeit“ (ששון) auf die Beschneidung und „Ehre“ (יקר) auf die Tefillin. Der böse Haman hatte damals die Ausübung dieser vier Gebote verboten und jetzt, nach seinem Untergang, konnten die Juden diese wieder in Freiheit und Freude ausüben.

So wie die Mitzwa von Zitzit (Schaufäden) vom Zahlenwert ihres Namens und aufgrund der Art und Weise, wie diese Zitzit gestaltet sind (Anzahl der Fäden und Knoten), auf alle 613 Mitzwot der Torah hinweisen, so auch die Mitzwa der Tefillin: Auf der rechten und linken Seite des Gehäuses der Kopf-Tefillin sind zwei Schin zu sehen – einmal rechts das uns bekannte mit drei und einmal links ein anderes Schin mit vier Armen bzw. Köpfen. Wenn wir folgende Zahlen zusammenzählen, erhalten wir wiederum 613 (600+6+7):

· der Zahlenwert beider Buchstaben Schin (je 300) ergeben zusammen 600

· die beiden Buchstaben Schin ergeben zusammen das Wort „schesch“: 6

· insgesamt haben die beiden Schin 7 Köpfe (diese stehen u.a. für die sieben Tage der Schöpfung, für die drei Erzväter und vier Erzmütter, für die sieben Umrundungen, die die Braut bei der Chuppa um den Bräutigam herum macht oder für die sieben Sefirot von Chessed bis Malchut).

In der Torah finden wir häufig die Wendung „der Name HASCHEMS ist über dich/euch genannt“ (so z.B. in Dewarim/5. Mose 28:10: „Und es sehen es alle Völker der Erde, dass G-ttes Name über dich genannt ist, und fürchten sich vor dir“). Nach der Lehre der Weisen bezieht sich dieser Vers auf die Tefillin, die Stärke des jüdischen Volkes. Wie sind sie zu dieser Auslegung gelangt? Zum einen wird der vierbuchstabige Name HASCHEMS, der in diesen vier Torah-Abschnitten mehrfach enthalten ist, insofern tatsächlich „über uns“, d.h. über unserem Kopf, genannt. Zum anderen kommt der Name HASCHEMS, der ihn als den Allmächtigen ausweist, (E-L) Scha-dai (ש־די), in folgender Weise durch das Tragen der Tefillin zum Ausdruck:

clip_image019

Der Buchstabe Schin des Wortes Scha-dai ist auf dem Gehäuse der Kopf-Tefillin optisch hervorgehoben, die Buchstaben Dalet und Jud dieses Wortes werden durch die besondere Form der beiden Knoten der Riemen der Kopf-Tefillin bzw. der Hand-Tefillin dargestellt. Daneben sind diese drei Buchstaben Schin, Dalet und Jud auch durch die spezielle Art der Bindung der Riemen der Hand-Tefillin um die Handfläche und die Finger erkennbar.

Von dem Wilnaer Gaon (Rabbi Elijahu ben Salomon Salman, der „Gra“, 18. Jh.) wird in „Peninim Mi-Schulchan Ha-Gra“ folgendes erzählt: Der Gaon verbrachte einmal auf einer Reise die Nacht in einer Herberge. In den frühen Morgenstunden stand der Wirt auf, um wie üblich seine Gebete zu sprechen, hüllte sich hierfür in seinen Tallit und zog seine Tefillin an. Auch der Gaon tat dasselbe zur gleichen Zeit in seinem eigenen Zimmer. Da betrat ein ungehobelter Bauer die Herberge, sah den Wirt und begann, auf ihn einzuschlagen. Der Gaon hörte die Schreie des Wirtes und öffnete seine Zimmertüre, um zu erfahren, was sich ereignet habe. Nach er den Gaon von Wilna erblickt hatte, fiel der Bauer regungslos zu Boden. Erleichtert fragte der Wirt den Gaon, warum den Bauern eine solche Furcht ergriffen hatte. Der Mann fiel zu Boden, als er meine Kopf-Tefillin gesehen hatte, antworte der Gaon. Diese Antwort verwirrte den Wirt: Ich habe doch auch Kopf-Tefillin getragen, aber das hat ihn nicht davon abgehalten, mich beinahe zu erschlagen.

Daraufhin erklärte der Rabbi: Du trägst deine Tefillin auf dem Kopf, ich trage Tefillin in meinem Kopf. Wenn du Tefillin anziehst, denkst du nicht an die Notwendigkeit, das Joch des Himmels auf dich zu nehmen und ein treuer Diener G-ttes zu sein, wie es auf den beschriebenen Pergamenten der Tefillin steht. In diesem Zusammenhang heißt es im Talmud konkret: tefillin sche-be-rosch, wörtlich: Tefillin IM Kopf, und nicht Tefillin AUF dem Kopf. Wenn die Kopftefillin uns dazu bringen, uns vollständig dem göttlichen Willen unterzuordnen, dann werden die Völker der Erde G-tt um unseretwillen fürchten.

Hierzu passen auch die Gedanken von Rav Awraham Isaak Kook, dem ersten aschkenasischen Oberrabbiner des damaligen Palästina (19./20. Jh.), der in seinem Werk „Ein Ejah“ (Bd. III, S. 26) über das erforderliche Bewusstsein während des Tragens der Tefillin schreibt, was Rabbi Chanan Morrison wie folgt zusammengefasst hat:

„Das goldene Stirnblatt des Kohen gadol (Hohepriesters) ähnelt einem anderen religiösen Objekt, das auf der Stirn getragen wird: den Tefillin. In der Tat vergleichen die Weisen beide. Wie das „Zitz“ (Stirnblatt) erfordert auch das Tragen der Tefillin, dass man sich jederzeit ihrer bewusst ist. In Schabbat 12a bringt der Talmud folgendes a fortiori Argument: Wenn das „Zitz“, auf dem
G-ttes Name nur einmal eingraviert ist, ein beständiges Bewusstsein hierfür erfordert, um wie viel mehr bedingen sicher die Tefillin, in denen G-ttes Name viele Male enthalten ist, die gleiche Aufmerksamkeit.

Diese Logik erscheint jedoch nicht ganz schlüssig. Meinten die Weisen wirklich, dass die Tefillin, die von jedem Juden getragen werden, ein heiligeres Objekt sind als das geweihte Stirnblatt, das nur vom Kohen gadol getragen werden dürfte, während er im Tempel diente? Weiterhin: warum wird der Name G-ttes nur einmal auf das Stirnblatt eingraviert, während er vielfach in den Tefillin erscheint?

Es geht um das Verbinden unserer Ziele. Das Leben kann in zwei Teile aufgeteilt werden: unsere letztendlichen Ziele und die Mittel, mit denen wir diese Ziele zu erreichen versuchen. Wir müssen sorgsam darauf achten, nicht das eine mit dem anderen zu verwechseln. Es ist leicht, unsere wahren Ziele aus den Augen zu verlieren, wenn wir ausschließlich mit den Mitteln beschäftigt sind, sie zu erreichen.

Sogar jene, die achtsam sind, auf dem richtigen Kurs zu bleiben, mögen vielleicht kein klares Verständnis vom wahren Zweck des Lebens haben. Die Weisen haben daher gelehrt: Alles, was wir tun, soll um Himmels willen (לשם שמיים - le-schem schamajim) erfolgen (Pirkei Awot/Sprüche der Väter 2:12). Das Wissen von dem, was G-tt von uns in jeder Situation verlangt, liegt keineswegs von vornherein klar erkennbar auf der Hand. Es zu schaffen, das höchste Ziel zu entdecken, unseren Zweck im Leben zu verstehen und fähig zu sein, alle Aktivitäten unseres Lebens diesem zentralen Ziel zu widmen – all das hängt von unserer Weisheit und Einsicht ab.

Was den Kohel gadol betrifft, so erwarten wir, dass die Person, die sich für dieses hohe und zentrale Amt würdig erweist, jenen Stand an Erleuchtung bereits erreicht hat, wo sich alle Aktivitäten des Lebens um ein einziges letztendliches Ziel drehen. Für den Kohen gadol ist dies das zentrale Thema „Heilig für HASCHEM“ (קדוש לה׳ - kadosch LASCHEM). Aus diesem Grunde wird auf dem Stirnblatt nur einmal der Name G-ttes erwähnt – als krönenden Abschluss.

Die meisten Menschen jedoch haben diese Stufe der Erleuchtung noch nicht erreicht. Wir haben viele Ziele: Liebestaten, Wohltätigkeit, Torahstudium, Gebet, Erlangung von Weisheit u.s.w. All dies sind wahre geistliche Werte, und indem wir unsere unterschiedlichen Aktivitäten hierauf ausrichten, gelingt es uns, uns innerlich zu erheben und das zugrunde liegende zentrale Ziel zu erkennen. Aus diesem Grunde enthalten die Torah-Abschnitte in den Tefillin vielfach den Namen G-ttes und spiegeln so die verschiedenen geistlichen Ziele wider, die uns leiten. Wir benötigen fassbare Erinnerungen, um uns die letzten Ziele unseres Lebens immer wieder vor Augen zu führen. Zitz und Tefillin, die beide über den Augen auf der Stirn getragen werden, sollen uns dabei helfen, diesen Bewusstseinszustand zu erlangen.

Jetzt können wir die Logik im Talmud verstehen, wenn dort diese beiden heiligen Objekte miteinander in Beziehung gesetzt werden. Selbst der Kohen gadol muss sich stets - trotz seiner umfassenden geistlichen Erkenntnis – des Zitz auf seiner Stirn und dessen fundamentaler Botschaft „heilig für HASCHEM“ bewusst sein. Um so viel mehr muss der Durchschnittsmensch, der unterschiedliche Ziele hat, jederzeit die geistlichen Botschaften seiner Tefillin vor Augen haben.“


IV. Wann, wie und von wem werden Tefillin gelegt?

Wann?

Tefillin werden grundsätzlich jeden Tag getragen – außer am Schabbat und an den Feiertagen von Rosch ha-Schanah, Jom Kippur, 1. Tag Sukkot, Sch’mini Atzeret, 1. und 7. Tag Pesach und Schawu’ot sowie nicht im Morgengebet zu Tischa be’Aw. In Bezug auf die Zwischenfeiertage (chol ha-mo’ed) von Pesach und Sukkot bestehen unterschiedliche Bräuche (minhagim): Nicht-chassidische Juden aus Europa, die nicht in Eretz Israel leben, tragen an diesen Tagen Tefillin, sprechen aber keine Segenssprüche beim Anlegen oder sprechen diese nur leise. Chassidim und Sefaradim außerhalb Israels und alle in Israel lebenden Juden tragen an diesen Tagen keine Tefillin.

Tefillin werden nur am Tage (zwischen der Zeit kurz vor Sonnenaufgang und Sonnenuntergang) gelegt. Obwohl zu früheren Zeiten Tefillin den ganzen Tag über getragen wurden (vgl. z.B. bBawa Metzi’a 105b, bEruwin 95b, bBetza 14a), ist es heute üblich, dies nur während des Morgengebets (שחרית - Schacharit), und zwar mindestens während des Lesens von Sch’ma und seiner Segenssprüche sowie während der Amida (שמונח עשרה - Sch’moné esré) zu tun. Der Grund für diese reduzierte Zeitdauer liegt vor allem darin, dass es den meisten Menschen heute nicht mehr möglich wäre, sich den ganzen Tag über in einem körperlich und gedanklich reinen Zustand zu befinden, wie es die Tefillin grundsätzlich erfordern. Die heutige Praxis ist also, Tefillin zu Beginn von Schacharit - in der Regel nach den Segenssprüchen am Morgen (Birkot ha-Schachar) - zu legen und sie bis zum Ende des Morgengebets (bis zum Kaddisch nach Alenu) zu tragen.

Wie?

Vor dem Tefillin-Legen hüllt man sich zuerst in den Tallit.

An dieser Stelle soll zum besseren Verständnis zunächst ein kurzer Exkurs folgen: Warum ziehen wir zunächst den Tallit und dann erst die Tefillin an? Damit zusammen hängt eine zweite Frage: Was ist heiliger – der Tallit oder die Tefillin?

Hierbei gelten – wie in anderen Zusammenhängen auch – folgenden Prinzipien: Nach der Halacha wird ein häufiger angewandtes Ritual vor dem weniger häufig angewandten ausgeführt. Da wir Tallit jeden Tag tragen, nicht aber die Tefillin (siehe oben), wird also zuerst der Tallit angezogen. Ferner wird der Tallit vor den Tefillin angelegt, weil es heißt: „Man steigt in Heiligkeit auf und nicht ab“ (מעלין בקודש ולא מורידין - ma’alin ba-kodesch we-lo moridin - bMegilla 26a). Tefillin besitzen nämlich insofern einen höheren Grad an Heiligkeit als der Tallit. Warum ist das so? Weil sich nur in den Tefillin – im Gegensatz zum Tallit - heilige Namen G-ttes befinden, die ein Sofer auf die gleiche Weise wie beim Fertigen einer Sefer Torah oder eines Pergaments für die Mesusa mit Kawana auf das Pergament geschrieben hat. Die Tefillin dürfen aus dem gleichen Grunde übrigens – ebenfalls anders als beim kleinen Tallit mit Zitzit – auch nicht an unreine Orte wie etwa ins Bad mitgenommen oder etwa nachts getragen werden. Zudem bezeichnet die Gemara (bMegila 26b) neben anderen dort genannten Dingen nur die Tefillin, nicht aber den Tallit bzw. die Zitzit, als „taschmischei keduscha“ (heilige Objekte zum rituellen Gebrauch), die, nachdem sie nicht mehr zu gebrauchen sind, wie eine ungültige Sefer Torah der Verwahrung in einer Genisa bedürfen.

Die Kopf-Tefillin wiederum besitzen einen höheren Heiligkeitsgrad als die der Hand (in den Kopf-Tefillin sind vier einzelne Abteilungen mit insgesamt vier Pergamenten enthalten, während die Hand-Tefillin nur ein einziges Pergament aufweist; außerdem befindet sich das Schin als erster Buchstabe des heiligen
G-ttesnamens Scha-dai zweifach an dem Gehäuse der Kopf-Tefillin – siehe oben).

Zurück zum Ablauf beim Tefillin-Legen. Aus Gründen der oben aufgezeigten unterschiedlichen Stufen der Heiligkeit werden also zuerst der Tallit, dann die Hand-Tefillin und schließlich die Kopf-Tefillin angezogen. Nach dem gleichen Prinzip erfolgt entsprechend das Abnehmen in umgekehrter Reihenfolge.

In den Tallit umhüllt, nehmen wir die Hand-Tefillin, küssen sie und sprechen die erste Beracha: „להניח תפילין…“ („… ascher kideschanu be-mitzwotaw we-ziwanu le-haniach tefillin“ – „… der uns geheiligt durch seine Gebote und uns befohlen hat, Tefillin anzulegen“). Dann befestigen wir (d.h. die Rechtshänder) sie in der vorgeschriebenen Weise am linken Oberarm (siehe Abbildung), winden den Riemen siebenmal um den Unterarm und rollen zunächst das restliche Ende des Riemens um die linke Handfläche. Danach ergreifen wir die Kopf-Tefillin, küssen auch diese und legen sie lose auf unseren Kopf. Erst wenn wir den zweiten Segenspruch: „על מצות תפילין…“ („… ascher kideschanu be-mitzwotaw we-ziwanu al mitzwat tefillin“ – „… der uns geheiligt durch seine Gebote und uns das Tefillin-Gebot befohlen hat“) gesagt haben, befestigen wir sie am Kopf. Dabei ist darauf zu achten, dass sie an der richtigen Stelle auf der Stirn liegen, der Knoten auf der dafür vorgesehenen Stelle im Nacken ruht (siehe ebenfalls Abbildung) und die beiden Riemen mit der schwarzen Außenseite über die Brust herunterhängen. Nun folgt der Vers: „ברוך שם כבוד מלכותו לעולם ועד“ („Baruch schem kewod malchuto le-olam wa-ed“ - „Gelobt sei der Name der Herrlichkeit Seines Reiches für immer und ewig“). Die Sefaradim und die meisten Chassidim wickeln die Tefillin im Uhrzeigersinn um den Arm, die Aschkenasim (ohne Chassidim) entgegen dem Uhrzeigersinn.

In einem dritten Schritt wird nun das Ende des Riemens der Hand-Tefillin so um die Handfläche und die Finger gewickelt, dass dabei wiederum in der Form der Wicklung die Buchstaben Schin, Dalet und Jud (siehe oben) sichtbar werden (siehe ebenfalls Abbildung). Während wir den Riemen dreimal um den Mittelfinger wickeln (einmal um das mittlere Glied, zweimal um das untere) sprechen wir jeweils einen dieser drei Sätze aus Hoschea 2:19-20 bei einer Wicklung:

· „וארשתיך לי לעולם“ („We-erastich li le-olam“ – „Ich verlobe dich Mir in Ewigkeit“)

· „וארשתיך לי בצדק ובמשפת ובחסד וברחמים“ („We-erastich li be-zedek uw-mischpat uw-chesed uw-rachamim“ – „Ich verlobe dich Mir in Gerechtigkeit und Recht, mit Liebe und Barmherzigkeit“)

· „וארשתיך לי באמונה וידעת את ה׳“ („We-erastich li be-emuna, we-jada’at et HASCHEM“ – „Ich verlobe dich Mir durch Treue, damit du den Ewigen erkennst“).

clip_image021 clip_image023

clip_image025 clip_image027

Das Wickeln der drei Ringe um den Mittelfinger entspricht dabei – wie bereits oben von Rabbi Kaplan erwähnt - dem Aufsetzen des Verlobungsrings durch den Bräutigam auf den Finger der Braut im ersten Teil der Chuppa, worauf es von Seiten der Anwesenden heißt: „mekudeschet, mekudeschet“ (die Verlobung ist vollzogen).

Die Ausleger und Poskim (Autoritäten zur Entscheidung halachischer Fragen) sind zum Teil unterschiedlicher Ansicht darüber, ob es sich beim Tefillin-Tragen um eine einzige Mitzwa (Hand- und Kopf-Tefillin zusammen) oder um zwei miteinander verbundene, aber doch getrennte Mitzwot (Hand- und Kopf-Tefillin separat) handelt.

Von Bedeutung ist diese Frage u.a. hinsichtlich der speziell beim Anliegen der Tefillin zu sprechenden Berachot (Segenssprüche). Wenn wir nur von einer Mitzwa ausgehen, gilt der erste Segensspruch (le-haniach tefillin) für das Anlegen von Hand- und Kopf-Tefillin zusammen. So halten es die meisten Sefardim. Folgen wir der zweiten Ansicht, bedarf es einer separaten Beracha vor Anlegen der Kopf-Tefillin. Daher sagen die Aschkenasim noch einen zusätzlichen Segensspruch (al mitzwat tefillin). Da die Grundfrage aber nicht eindeutig geklärt ist und wir im Zweifel sind, ob wir tatsächlich die zweite Beracha benötigen, sagen die Aschkenasim diese zwar (gemäß dem Prinzip, dass wir bei Zweifeln in Bezug auf Torah-Gebote der erschwerenden Ansicht folgen), fügen aber sofort den Ausspruch „Baruch schem kewod malchuto le-olam wa-ed“ („Gelobt sei der Name der Herrlichkeit Seines Reiches für immer und ewig“) hinzu, was wiederum dem Prinzip Rechnung trägt, dass wir nach einer möglicherweise unnötig zitierten Beracha den soeben ausgesprochenen G-ttes-namen loben. Auf diese Weise machen wir insofern sozusagen einen etwaigen Verstoß gegen das einschlägige Verbot, den Namen HASCHEMS umsonst auszusprechen, wieder gut.

Die Hand- und Kopf-Tefillin küssen wir im Morgengebet (Schacharit) an folgenden zehn Stellen (hierbei berühren wir die Tefillin mit den Fingern unserer rechten Hand und küssen die Finger anschließend):

· bei den Segenssprüchen am Morgen (birkot ha-schachar) an den Stellen „oser Jisrael bi-g‘wura“ („der Israel mit Kraft umgürtet“ – hier Hand-Tefillin) und „oter Jisrael be-tifara („der Israel mit Pracht krönt“ – hier Kopf-Tefillin

· bei Tehillim/Psalm 145 (pesukei de-simra) im Vers „poteach et jadecha“ („Du öffnest Deine Hand - hier Hand-Tefillin) „u-masbia le-chol chai ratzon“ („und sättigst alle Lebenden nach ihrem Verlangen“ - hier Kopf-Tefillin)

· nach Barechu zu Beginn des ersten Segenspruches vor dem Sch’ma: „jotzer or u-woré choschech“ („der das Licht gestaltet und die Finsternis erschafft“ - hier Hand-Tefillin), „osé schalom u-woré et ha-kol“ („der Frieden stiftet und das All erschafft“ - hier Kopf-Tefillin).
Die Mekubalim küssen an dieser Stelle übrigens nur die Hand-Tefillin und küssen ihre Kopf-Tefillin erst zum Abschluss des Segensspruches nach dem Sch’ma: „ga’al Jisrael“ („der Israel erlöst“).

· beim Lesen des Sch’ma an den beiden Stellen in den Abschnitten „We-ahawta“ und „We-haja im schamoa“, an denen von diesen Mitzwot die Rede ist: „u-k‘schartam le-ot al jadecha/u-k‘schartem otam le-ot al jedchem“ („binde/bindet sie zum Zeichen an deine/eure Hand“ - hier Hand-Tefillin) und „we-haju le-totafot bejn ejnecha/ejnechem“ („sie seien zum Stirnschmuck zwischen deinen/euren Augen“ - hier Kopf-Tefillin).

Wer?

Nach Sefer ha-Chinuch sind nur Männer zu Tefillin verpflichtet, und zwar vom Tage ihres 13. Lebensjahres ab (Bar Mitzva).

Frauen sind von dieser Verpflichtung ausgenommen, da er sich hierbei erstens um ein Gebot handelt, dass von einer bestimmten Zeit abhängig ist. Von dieser Gebots-Kategorie sind Frauen grundsätzlich befreit. Zum zweiten wäre es für sie unmöglich, Tefillin im Zustand ritueller Unreinheit (z.B. während ihrer Niddah-Zeit oder für einen bestimmten Zeitraum nach einer Geburt) zu tragen. Und schließlich gibt es Autoritäten, die das Tragen von Tefillin auch deshalb für Frauen verneinen, weil es in Dewarim/5. Mose 22:5 heißt: „Nicht sei Mannesgerät (oder „Rüstung“ eines Mannes) an einer Frau“, worunter von den Weisen in Anlehnung an den Vers „Rüste dich, deinem G-t zu begegnen, Israel“ (Amos 4:12) insbesondere Tallit und Tefillin als spezielle Ausrüstung des Mannes zum Dienst an HASCHEM verstanden werden.

Halachische Quellen mit weiterem ausführlichen Material:
Schulchan Aruch, Orach Chayim, Kap. 25-45; Kitzur Schulchan Aruch, Siman 10; Mischna Berura 25-45.

clip_image029

Mehr in dieser Kategorie: Wochenabschnitt Noach, Mitzwot »