Paraschat “WAʻETCHANAN“ Empfehlung

26. Juli 2020 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Wa'etchanan

ב"ה

Paraschat “WAʻETCHANAN“

Auszug aus: Studien zu den wöchentlichen Tora-Vorlesungen, von Nechama Leibowitz

“Versucht Gʻtt, euren Herrn nicht!“

Alle Grundsätze des Judentums werden in dieser Sidra zur Sprache gebracht: Die
Offenbarung am Sinai mit den Zehn Geboten (Dewarim 6:19), der Glaubenssatz des
Schma Israel über die Einzigkeit Gʻttes (Dew. 6:4), das Gebot, Gʻtt zu lieben (Dew. 6:5),
das Gebot, Tora zu lernen (Dew. 6:7), die Gebote von Tefillin und Mesusa (Dew. 6:8,9), die
Warnung davor, Gʻtt zu vergessen (Dew. 6:12, der Aufruf, Ihn zu fürchten und Ihm zu
dienen (Dew. 6:13) - und nach all diesem kommt das Gebot: “Versucht Gʻtt, euren Herrn
nicht, wie ihr in Massa versuchtet“ (Dew. 6:16).
Von Abraham bis zur Generation der Wüste sind die Menschen sehr oft versucht und
geprüft worden. Was aber bedeutet das Versuchen Gʻttes durch den Menschen? Der
Verfasser des Sefer haChinuch sieht hier das Verbot, nicht bis zum Letzten zu prüfen, ob
die Warnungen der Propheten vor göttlichen Strafen auch in Erfüllung gehen würden, das
von den Propheten angeprangerte Tun also nicht vorsätzlich weiterzutreiben. Doch er
realisiert selbst, dass damit dieses sehr umfassend formulierte Verbot nur unzureichend
umschrieben ist. So fügt er an, das Verbot untersage auch, Gʻttes Gebote nicht auf die
Prüfung hin zu erfüllen, ob Gʻtt dafür den Lohn ausbezahlen würde, sondern aus Liebe und
Furcht Gʻtt zu dienen.
Die Tora selbst bemüht sich hier, ein Beispiel dafür zu liefern, was unter dem
“Versuchen Gʻttes“ zu verstehen ist, nämlich die Episode von Massa. In Schmot 17:2 , nach
der Durchquerung des Schilfmeeres, der Verwandlung des Bitterwassers von Mara in
Süßwasser und dem Einsetzen des täglichen Manna heißt es: “Da stritt das Volk mit
Mosche, und sie sagten: Gebt uns Wasser und wir trinken ...“ Mosche gibt darauf eine
Antwort, die zunächst nicht zu ihrer Forderung zu passen scheint: “Was streitet ihr mit mir,
was versucht ihr Gʻtt?“ Offenbar las er in ihren Herzen und verstand, dass nicht Durst,
sondern Kleingläubigkeit, Nörgelei und übertriebene Skepsis sie zum Protest veranlasst
hatte. Nachmanides weist darauf hin, dass es hier nicht heißt: “Sie beklagten sich“, was
eine Klage auf akuten Nahrungs- oder Wassermangel bedeuten würde, sondern: “Sie
stritten mit Mosche“. Hier geht es also um die Auseinandersetzung, nicht um die Sache.
Entsprechend heißt es in der Tora (Schmot 17:7): “Er nannte den Namen des Ortes Massa
und Meriwa ob des Streits (hebr. riw) der Israeliten und ihres Versuchens Gʻttes, zu sagen:
Ist Gʻtt unter uns oder nicht?“ Auch Tehilim 78: 17-20 verbindet das Fordern der Israeliten in
der Wüste nach Nahrung mit dem Vergehen eines Versuchens Gʻttes. Gʻtt soll nicht so sehr
das Volk ernähren, als sich selbst beweisen, indem Er “einen Tisch in der Wüste deckt“.
Nachmanides verbindet diese Haltung mit dem Ausspruch in Jirmijahu 44:17: “Wir
werden uns an Brot sättigen, und es wird uns gut sein“. Das Volk Israel macht seine
Gefolgschaft gegenüber Gʻtt von dessen Fürsorge und Beweis Seiner Präsenz abhängig.
Gʻtt aber hat nicht den Willen, dauernd und jedem Menschen gegenüber Wunder zu tun,
und es ist auch nicht angebracht, Ihm um des Lohnes willen zu dienen, sondern auch in
Not und Unglück soll der Mensch Ihm dienen und in Seinen Wegen wandeln. Deshalb, so
Nachmanides, wurde dem Volk auf immer verboten, Gʻtt zu versuchen.
Tatsächlich ist Israel nicht nur in der Wüste der Versuchung erlegen, Gʻtt zu versuchen.
Auch nach der Zerstörung des Ersten Tempels hat Jirmijahu das nach Ägypten
emigrierende Volk getadelt, weshalb es in Ägypten der Vielgötterei anheimgefallen sei, ob
es die Sünden seiner Väter und Könige und deren Frauen und die eigenen Sünden im
zerstörten Jeruschalajim vergessen habe. Die Antwort, die auch Nachmanides kurz zitiert
hat, lautet: “Wir werden uns an Brot sättigen und es wird uns gut sein.“ Ein anderes
Beispiel findet sich bei Maleachi 3: 14,15. Er spricht zum Volk Israel: “Ihr sagtet: Umsonst
ist das Dienen für Gʻtt, was brachte es, dass wir Seine Hut hüteten und dass wir dunkel
gingen vor dem Herrn der Heerscharen. Und jetzt heißen wir die Frevelnden glücklich,
denn die Böses tun, sind zum einen erbaut, zum anderen prüften sie Gʻtt und kamen
davon.“ Das Vergehen der Zeitgenossen Maleachis ist nicht nur, dass sie (wie viele andere
Generationen auch) den Gʻttesdienst als vergeblich erachten, auch nicht nur, dass sie den
Erfolg als oberstes Kriterium von Gʻttes Zuwendung bewerten. Das eigentlich Verwerfliche
ist die Überlegung, ob es ʻetwas bringtʻ, Gʻtt zu dienen, anstatt sich diesem Dienst in allen,
selbst den schlimmsten Lebenslagen zu verschreiben, wie es Nachmanides nicht nur
forderte, sondern auch selbst tat.

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