Paraschat “BESCHALACH“
Auszug aus:
Belebende Parascha
Thora-Deutungen des Lubawitscher Rebben für die Gegenwart
von Rabbiner Benjamin Sufiev
Band II
DAS LIED AM MEER
Zehn übernatürliche Wunder erlebten die Kinder Israels in Mizrajim, welche die
Allmacht G‘ttes demonstrierten.
Aber noch einmal sollte die Menschheit von der Kraft G‘ttes überwältigt werden, als
sich das Schilfmeer spaltete und aus den Wassermassen zwei über zehn Meter hohe
Mauern wurden, wodurch das jüdische Volk sicher durch das Meer gehen konnte (Schmot,
Kapitel 14). Die Kinder Israels waren von der Liebe G‘ttes zu ihnen so sehr erfasst, bis sie
Ihm mit dem „Lied am Schilfmeer“ ihren Dank aussprachen. Die Strophen dieses Liedes
rezitieren wir jeden Tag im Morgengebet. Die letzten Strophen des Loblieds befassen sich
mit der Zukunft: die Eroberung Israels und die Erbauung des Tempels.
Es ist verständlich, warum im Loblied auch die Eroberung Israels erwähnt wird, da sie
doch den Auszug aus Mizrajim vollenden sollte, wie G‘tt den Kindern Israels noch in
Mizrajim verhieß: „Und Ich werde euch in ein gutes und geräumiges Land hinauf-
führen“ (Schmot 3:17); aber was hat der Tempel, der hunderte Jahre später erbaut wurde,
mit dem Auszug aus Mizrajim zu tun?
Die Welt unter Kontrolle
Um dies zu verstehen liegt es an uns, die tiefere Bedeutung des Loblieds, mit dem die
Kinder Israels G‘tt huldigten, zu begreifen. Einfach gesehen, drückt es den Dank Israels
über all die großartigen Wunder, die G‘tt ihnen getan hat, aus; aber tiefer betrachtet,
verkündet uns das Lied, wie durch die Wunder in Mizrajim und am Schilfmeer, die allesamt
g‘ttliche Offenbarungen waren, G‘tt über die ganze Welt und ihre Naturgesetze herrscht.
Diese Wunder bewiesen, dass G‘tt die Welt kontrolliert und sie in all ihren Prozessen
leitet. In Seinem Willen erhebt Er ein Volk und in Seinem Willen versenkt Er es im totalen
Chaos. Er entscheidet, ob die Welt mittels Naturgesetzen gelenkt werden soll und in Seiner
Entscheidung liegt es, dieses System zu zerschlagen und Wassermassen wie Steinmauern
zu formen. Diese absolute Kontrolle über die Welt, eine derartige g‘ttliche Offenbarung,
zeigte sich allem Auge in den Tagen vor und nach dem Auszug aus Mizrajim.
Der Höhepunkt dieser g‘ttlichen Offenbarung ereignete sich im Tempel, über den es
heißt: „Und machet Mir ein Heiligtum, dass Ich in ihnen wohne“ (Schmot 25:8). Im Tempel
findet G‘tt Seinen „Hauptsitz“, in dem Er Seine Gegenwart gänzlich offenbart (wie der
Mensch in seinem Zuhause sein wahres Ich zeigt). Deshalb wurde der Tempel bereits beim
Lied am Schilfmeer erwähnt.
Jeder konnte dort die g‘ttliche Kraft sehen, und Wunder gehörten im Tempel zum Alltag
(Sprüche der Väter 5:4). Diese Besonderheit des Tempels findet auch im Loblied seinen
Ausdruck, wo er als „Heiligtum G‘ttes, das Deine Hände errichtet haben“ (Schmot 15:17)
bezeichnet wird.
Unsere Weisen lernen daraus, dass G‘tt besonderes Wohlgefallen am Tempel hat,
denn als Er die Welt erschuf, tat Er dies nur mit ‘einer Hand‘, wie es heißt: „Meine Hand hat
die Erde gegründet“ (Jeschajahu 48:13); aber den Tempel baute Er mit ‘zwei Händen‘ -
„das Heiligtum G‘ttes, das Deine Hände errichtet haben“. Das heißt, im Tempel wirkten
‘beide Hände‘ G‘ttes (eine größere Energie G‘ttes) und G‘tt offenbarte sich in ihm.
Im Dritten Tempel
Diese Offenbarung fand in großem Ausmaß im Ersten Tempel statt. Deshalb erreichte
das jüdische Volk mit seinem Aufbau eine Ära des Friedens und Aufblühens. Dennoch aber
war die G‘ttesoffenbarung nicht vollkommen, was zur Zerstörung des Tempels führte.
Die g‘ttliche Offenbarung erreicht ihren Höhepunkt im Dritten Tempel, und somit wird
nur jener wirklich dem Titel „Heiligtum G‘ttes, was Deine Hände errichtet haben“ würdig
sein.
Die Kinder Israels also sangen bei ihrem Auszug aus Mizrajim über die endgültige
Erlösung und die Erbauung des Dritten Tempels, in dem G‘tt sich in Seiner ganzen
Herrlichkeit zeigen wird, weit mehr, als bei den Wundern in Mizrajim und am Schilfmeer.
Deshalb wird er auch ewigen Bestand haben - und um seinen Aufbau bitten wir jeden Tag
beim Sprechen dieses Loblieds im Morgengebet!
(Likutej Sichot, Band I, Seite 34)