Paraschat “NOACH“ Empfehlung

18. Oktober 2020 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Noach

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Paraschat “NOACH“

Auszug aus: Zeitlos aktuell - Gedanken zum Wochenabschnitt, von Dr. Zwi Braun

Menschliche Selbstüberhebung

„Und sie sprachen: Wohlan, wir wollen uns eine Stadt bauen und einen Turm, und seine
Spitze am Himmel und uns einen Namen machen, dass wir uns nicht auf der ganzen
weiten Erde zerstreuen“ (Bereschit 11:4).

Rabbiner Samson Raphael Hirsch verweist auf eine Mischna in den Sprüchen der
Väter (4:28), in der eine Maxime von Rabbi Elasar Hakapar festgehalten wird: “Der Neid,
die Begierde und die Ehrsucht bringen die Menschen aus der Welt.“ Nach S.R. Hirsch ging
die vorsintflutliche Welt am Neid und an der Begierde zugrunde. Neid war es, der Kain
dazu brachte, seinen Bruder Hewel zu töten. Neid auf Hewel, dessen Opfer sich Gʻtt
zuwandte, während Kain mit seinen Opfergaben nicht die göttliche Gunst fand. Auf Kain
lasteten fortan die Worte: “Wenn du den Menschenboden bearbeitest, wird der dir seine
Kraft nicht mehr geben; unstet und flüchtig wirst du auf der Erde sein“ (Bereschit 4:12). Ein
Leben in steter Flucht ist kein lebenswertes Leben mehr.

Begierde war es, welche der Generation der Sintflut zum Verhängnis wurde. Begierde,
welche die damaligen Menschen die Grenzen von Sitte und Anstand vergessen ließ, zu
sexuellen Ausschweifungen führte und auch vor dem Hab und Gut des Nächsten nicht Halt
machte. Raub war es, der nach den Worten unserer Weisen das Fass zum Überlaufen
brachte, in dessen Fluten schließlich die damalige Welt bis auf Noach und seine Arche
versank.

Der Generation des Turmbaus zu Bawel wurde schließlich die Ehrsucht zum
Verhängnis. S.R.Hirsch bemerkt dazu:
Die Weisen belehren uns, dieses Unternehmen sei nur unter Nimrods Leitung
gediehen, es kann auch nur ein Nimrod die Menschen zu einer solchen Hinopferung
bewegen, und auch ihm wird es nicht gelingen, wenn er sie nicht für seine Zwecke zu
begeistern versteht, wenn er seinen Ruhm nicht mit dem Ruhm der für ihn sich
hinopfernden Masse zu identifizieren weiss. Nicht mit Gold und Genüssen, mit einem
Bündchen im Knopfloch weiss ein Napoleon und Alexander die Massen für ihren Zweck zu
ködern. Wir finden auch späterhin seine Bauten, an denen ziellos bis ins Unendliche hin
gebaut wurde. Auf dem Boden jenes Staates, welcher der Erbe jener nimrodischen Pläne
geworden, in Ägypten, stehen heute noch Pyramiden, von denen jeder König bei dem
Antritt seiner Regierung eine zu bauen anfing, an welcher während seiner ganzen
Regierung fortgebaut wurde. Da war die ganze Nation gejocht, um ununterbrochen an dem
Grabmal des königlichen Ruhmes zu bauen; es ist dies im Kleinen dasselbe Werk wie
hier.“

Während S.R. Hirsch in seinem Kommentar unser Augenmerk auf das “uns einen
Namen machen“ lenkt, verweist Benno Jakob auf ein zweites Motiv des Turmbaus:

“In den prophetischen Schilderungen der Endzeit wird es niemals als wünschenswert
hingestellt, dass die Menschen auf einem Fleck wohnen und eine Sprache sprechen sollen,
sondern der Bau der Riesenstadt ist ein aus Furcht geborener Versuch, dem göttlichen
Plan zu begegnen. Die Erzählung ist also die Verurteilung eines extremen Zentralismus,
dessen letzte Konsequenz eine einzige Weltstadt mit einem möglichst hohen
Wolkenkratzer als Symbol der Konzentration ist, eines Herdensinnes, der sich nur in der
Masse und Zusammendrängung geborgen fühlt und das Endziel darin sieht, die ganze
Menschheit unter einen Turm zu bringen, und mit geistreicher Ironie wird nach dem Muster
der Vergeltung von Gleichem mit Gleichem gerade der Ort des erträumten
Zusammenschlusses schon im Namen zum Ausgangspunkt der Zertreuung über die ganze
Erde gestempelt. Die Riesenstadt Bawel und die himmelhohen Tempeltürme haben der
Tora ebensowenig imponiert wie die Pyramiden, die sie nicht einmal für erwähnenswert
hält, obgleich sich ihre Geschichtserzählung zu einem großen Teil in Ägypten abspielt.“

Nicht in einem zentral regierten Riesenreich sieht die Tora das Ziel der Menschheit,
sondern in der Vielfalt menschlicher Nationen, Kulturen und Staaten.

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