Paraschat “Ki Tissa“ Empfehlung

13. Februar 2022 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Ki Tisa

ב"ה

Paraschat “Ki Tissa“

aus:
Belebende Parascha 
Thora-Deutungen des Lubawitscher Rebben für die Gegenwart 
von Rabbiner Benjamin Sufiev 

DIE GANZE HÄLFTE

Ein Mensch, der ehrlich mit sich selbst ist und die Wahrheit einer Sache erkennt, würde
sehr viel dafür geben, sein Leben nach diesem Bewusssein zu richten. In letzter Zeit z.B.
sind viele Menschen auf „Bio-Produkte“ umgestiegen, da sie die Notwendigkeit der
Konsumierung gesunder Nahrung erkannt haben.

Nach diesem Prinzip richtet sich auch das Judentum. An dem jüdischen Menschen
liegt es, den Geboten der Thora, von deren Wichtigkeit er doch überzeugt ist, in jeder
Hinsicht Vorrang zu geben und sie nur auf die beste und perfekteste Weise zu erfüllen.

In unserem Wochenabschnitt aber stoßen wir auf ein Gebot, das genau das Gegenteil
predigt - „die Abgabe des halben Schekels“! So klingt das in den Worten der Thora:
Solchen sollen sie geben ... einen halben Schekel - zwanzig Gera der Schekel“ - die Hälfte
des Schekels als Abgabe an G‘tt. Zweimal wird in dem Vers die Abgabe eines halben
Schekels betont. Und um seinen Wert zu bestimmen, ergänzt die Thora den Wert des
ganzen Schekels - zwanzig Gera.

Um dem oben genannten Prinzip im Judentum gerecht zu werden, hätte doch die
Thora „zehn Gera“, eine runde (ganze) Zahl, als Abgabe an G‘tt angeben müssen. Aus
welchem Grund bevorzugt sie gerade bei diesem Gebot den halben Schekel zu betonen,
einen Ausdruck für Unvollkommenheit?

Der moderne Götzendienst

Unseren Gelehrten zufolge (Midrasch Tanchuma, Ki Tissa 10) ist einer der Gründe für
dieses Gebot, die Sünde des Goldenen Kalbs zu sühnen. Das heißt, gerade die Abgabe
des halben Schekels bewirkt die Vergebung. Götzendienst im eigentlichen Sinn bedeutet
die Trennung von G‘tt, und Ursprung dieser Trennung ist die Überheblichkeit des
Menschen, so dass er seiner eigenen Person mehr Vorrang gibt als G‘tt selbst. Sobald der
Mensch meint, von G‘tt unabhängig zu sein, steht er bereits mit beiden Füßen im
Götzendienst. So sieht die moderne Form des Götzendienstes aus.

Die Wiedergutmachung dieser Sünde erfolgt durch das Erkennen und Akzeptieren der
g‘ttlichen Einheit mit der Welt, dass sie und ihre Geschöpfe vollkommen in den Händen
G‘ttes liegen. Sobald der Jude von dieser Erkenntnis erfüllt wird - von seiner realen
Abhängigkeit von G‘tt und dass die eigentliche Existenz nur durch die Verbundenheit mit
der g‘ttlichen Lebensquelle besteht - ist seine Bewahrung vor dem Götzendienst sicher.

Zwei Hälften ...

Der Jude soll einen halben Schekel für sein Seelenheil, verunreinigt durch das Goldene
Kalb, abgeben. Damit deutet ihm die Thora an, dass er durch die Trennung von G‘tt nicht
mehr als eine Hälfte ist. Er hat keine eigene Existenz. Es fehlt an ihr. Erst mit der Bindung
an G‘tt (der zweiten Hälfte) wird er zu einem Ganzen.

Das lehrt uns auch die Art und Weise der Bindung zwischen G‘tt und dem Menschen.
G‘tt und der Jude sind nicht zwei getrennte Wesen, die sich miteinander verbinden,
sondern zwei Hälften, die gemeinsam ein Ganzes bilden. Also gerade der halbe Schekel
(ausgedrückt durch wahre Hingabe an G‘tt) führt zur Ganzheit des Menschen.

... ein Ganzes

Einen Hinweis auf diese Verbindung zwischen G‘tt und dem Menschen (angedeutet durch
den halben Schekel) finden wir beim Bundesschluss zwischen G‘tt und Mosche in unserem
Wochenabschnitt, als G‘tt sich willig zeigte, das Flehen Mosches um Vergebung für das
jüdische Volk zu erhören, das G‘tt mit dem Goldenen Kalb zutiefst betrogen hatte. Zu
damaligen Zeiten bestand der Bundesschluss darin, einen ganzen Gegenstand zu nehmen
und ihn zu halbieren. Daraufhin musste man zwischen den zwei Teilen durchgehen. Somit
drückten die Betroffenen aus, dass es, obwohl sie zwei voneinander getrennten Menschen
sind, sich dabei um ein Ganzes handelt, nur in zwei Hälften geteilt.

Das also ist die tiefere Bedeutung des Bundes zwischen G‘tt und dem Juden und des
Gebotes des halben Schekels: Unsere Ganzheit liegt gerade in der Erkenntnis, unser
eigenes Wesen als inkomplett zu betrachten! Den fehlenden Teil ergänzen wir durch die
Bindung zu G‘tt.

(Likutej Sichot, Band 3, Seite 926)