Paraschat “HAʻASINU“ Empfehlung

13. September 2021 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Ha'asinu

ב"ה

Paraschat “HAʻASINU“

aus:
Belebende Parascha
Thora-Deutungen des Lubawitscher Rebben für die Gegenwart
von Rabbiner Benjamin Sufiev

DIE ZWEI ENDEN DES SEILS

In unserem Wochenabschnitt veranschaulicht uns die Thora die Bindung zwischen G‘tt und
dem jüdischen Volk anhand eines Gleichnisses von einem Seil, an dessen einem Ende G‘tt
festhält und an dem anderen der irdische Mensch.

Rabbi Schneor Salman von Liadi (Igeret haTschuwa, Kapitel 4-6) erklärt, dass das
bindende Element („Seil“) zwischen G‘tt und dem Menschen die Seele ist. Solange das Seil
stark ist, ist auch die Bindung zwischen G‘tt und dem Menschen stark und spürbar. Doch
das Seil kann auch beschädigt sein, und zwar durch Sünden und Missetaten. Dann ist
auch die Bindung zwischen G‘tt und dem Menschen angetastet, je schwerwiegender die
Sünde, desto größer der Schaden an dieser Bindung.

Abtrennung

Wie groß der Schaden durch die Sünde ist, erklärt Rabbi Schneor Salman auch anhand
des Gleichnisses vom Seil, und zwar aus zwei Gesichtspunkten. Zuerst, sagt Rabbi
Schneor Salman, dass das Seil (die Seele) aus 613 Striemen geflochten ist (wie die Seele
auch 613 spirituelle Glieder hat, welche für die 613 Vorschriften stehen). Wenn ein Jude
eine Sünde begeht, reißt er jenen Striemen seines Seils ab, welcher für jene Vorschrift
steht, die er übertreten hat. Der Schaden durch den zerissenen Striemen wirkt sich auch
auf das gesamte Seil aus und schwächt somit die Bindung zwischen G‘tt und dem Juden.

Die Sünden, welche Karet („Abtrennung“) zur Folge haben, sind besonders
schwerwiegend. Denn wenn ein Jude eine solche Sünde begeht, zerreißt er das gesamte
Seil und trennt sich von G‘tt völlig ab. Zur Zeit des Tempels hat sich diese seelische
Trennung von G‘tt sogar in der Verkürzung des physischen Lebens ausgedrückt.

Hinabziehen

In seiner zweiten Erklärung des Seils und welchen Schaden eine Sünde bewirken kann,
erläutert Rabbi Schneor Salman, dass bei einem Seil „ein Ende unten und das andere
Ende oben sei“, und indem der Mensch an dem unteren Ende in eine gewisse Richtung
zieht, das obere Ende dorthin mitgezogen wird. Und darin liegt die schwerwiegende
Konsequenz einer Sünde: Wenn ein Jude eine Sünde begeht und seine Seele dem
Schlechten zuwendet, zieht er dadurch „das obere Ende des Seils“, das doch G‘tt festhält,
mit sich nach „unten“. Nun ist nicht nur er von der Sünde beschmutzt, sondern er zieht
auch G‘tt in den Dreck.

Allerdings scheint es einen Widerspruch zwischen den zwei Erklärungen von Rabbi
Schneor zu geben. Laut der ersten Erklärung trennt die Sünde das Seil ab; die Bindung zu
G‘tt existiert nicht mehr. Doch der zweiten Erklärung zufolge bleibt das Seil nicht nur nach
der Sünde beständig, sondern sogar während der Sünde kann der Mensch das obere Ende
des Seils nach unten ziehen?

Zwei Stufen

Die Erklärung dazu lautet, dass es bei der Bindung des Menschen zu G‘tt, welche mit
einem Seil verglichen wird, zwei Stufen gibt. Die Bindung auf der niederen Stufe kann von
Sünden angegriffen werden, so dass diese das Seil gänzlich zerreißen könnten; dies ist die
Abtrennung des Juden von G‘tt.

Doch die Bindung zu G‘tt auf der höheren Stufe, die ebenfalls jeder Jude in sich trägt,
wenn auch verborgen, ist so stark, dass keine Sünde sie zu schwächen vermag. Über
diese Art von Bindung steht geschrieben: (Tanja, Kapitel 24) „Auch zum Zeitpunkt der
Sünde bleibt die Seele treu zu G‘tt“. Diese Bindung ist sogar so unzertrennbar, dass der
Mensch, wenn er sündigt, selbst G‘tt mit nach unten zieht!

Andererseits aber kann man anhand dieser starken Bindung begreifen, weshalb jeder
Jude, wie sündhaft er auch sein mag, immer die Kraft hat, zu G‘tt zurückzukehren! Da er
nämlich niemals von G‘tt abgetrennt war, sondern ständig eng mit Ihm verbunden, wird
seine Seele schließlich erwachen und den Weg zu G‘tt zurückfinden!

(Likutej Sichot, Band 9, Seite 215)