Paraschat “WAJIKRA“ Empfehlung

14. März 2021 geschrieben von   Channa Rachel Freigegeben in Wajikra

ב"ה

Paraschat “WAJIKRA“

Auszug aus: Zeitlos aktuell - Gedanken zum Wochenabschnitt, von Dr. Zwi Braun

Das kleine Alef

„Und Er rief Mosche und Gʻtt sprach zu ihm aus dem Stiftszelt Folgendes“ (Wajikra 1:1).
Rabbi Israel Alter von Ger, der Bet Jisrael, macht uns auf einen scheinbaren Widerspruch
aufmerksam. Am Ende des zweiten Buches der Tora steht der Satz:

“Und Mosche konnte nicht in das Stiftszelt kommen, denn die Wolke ruhte darauf und
die Herrlichkeit Gʻttes erfüllte das Mischkan“ (Schmot 40:35).
Doch einige Verse weiter ergeht der Ruf Gʻttes an Mosche! Nach dem Bet Jisrael können
wir daraus eine Lehre ziehen. Jeder Mensch sieht sich in seinem Leben mit
Widersprüchen, Hindernissen, scheinbarer Abwesenheit und Verborgenheit Gʻttes
konfrontiert, die er nicht glaubt, überwinden zu können. Wenn wir dennoch die notwendigen
Anstengungen unternehmen und uns nicht entmutigen lassen, gelangen wir letztlich doch
ans Ziel und hören die “Stimme Gʻttes“ an uns.

“Und Er rief“ heißt im hebräischen Original “wajikra“ (Waw, Jud, Kuf, Resch, Alef),
wobei das Alef in verkleinerter Form geschrieben wird. In dem Buch “Em laMikra
uʻleMassoret“ von Rabbi Jitzchak ben Mordechai von Siedlice finden sich 39 Erklärungen
für das kleine Alef zu Beginn von Sefer Wajikra. Der Baal HaTurim bemerkt, dass beim
Weglassen des Alef das erste Wort als “wajikar“ gelesen werden kann. Diesen Ausdruck
finden wir in der Tora, als Gʻtt sich dem Propheten Bilam zuwendet. “Und Gʻtt traf (wajikar)
den Bilam ...“ (Bamidbar 24:4). Während “wajikra“ ein gezieltes Rufen und Ansprechen
ausdrückt, entspricht “wajikar“ eher einer zufälligen Begegnung. Nun wollte Mosche, laut
dem Baal HaTurim, aus lauter Bescheidenheit nicht “wajikra“, sondern ebenfalls “wajikar“
schreiben. Doch Gʻtt bedeutete ihm das Alef auszuschreiben. Mosche fügte sich, doch es
blieb bei einem - kleinen - Alef! Der Midrasch geht in der Episode weiter. Da nur ein kleines
Alef entstanden war, blieb an der Feder, mit der Mosche schrieb, noch ein Tropfen Tinte.
Beim Absetzen der Feder blieb dieser Tropfen an den Haaren Mosches hängen, mit
weitreichenden Konsequenzen:

“Da war es, als Mosche vom Berg Sinai herabkam und die beiden Tafeln des
Zeugnisses in Mosches Hand waren, da er vom Berg herabkam - und Mosche wusste
nicht, dass die Haut seines Angesichts strahlend geworden war, indem er mit ihm
sprach“ (Schmot 34:29).

So wurde Mosches Bescheidenheit belohnt!
Während Mosche für sich keinerlei Privilegien in Anspruch nahm, setzte er sich für sein
Volk umso mehr ein. “Wohl dir (aschrej) Israel, wer ist wie du, ein Volk, dem geholfen wird
durch Gʻtt ...“ (Dewarim 33:29). In diesem Satz ist das Alef von Aschrej vergrößert, ein
Tribut Mosches an sein Volk, so der Kabbalist Rabbi Schimschon von Ostropol, nach der
Überlieferung des Sefer Minchat Schai.

Unsere Weisen haben Bescheidenheit als Voraussetzung für das Studium der Tora
immer betont:

Rabbi Chanina ben Idi sagte: Weshalb werden die Worte der Tora mit Wasser
verglichen, wie es heißt: ʻIhr Durstigen alle, geht zum Wasserʻ (Jeschajahu 55:1): Dies
besagt, wie das Wasser die Höhe verlässt und in die Tiefe fließt, ebenso bleiben die Worte
der Tora nur dem erhalten, der demütig ist“ (Taʻanit 7a).

In diesem Sinn ist auch der erste Spruch in den Pirke Awot zu verstehen: “Mosche
empfing die Tora vom Sinai ...“ (1:1). Es heißt “mi-Sinai“, vom Sinai, und nicht, wie wir
erwartet hätten “be-Sinai“, am Sinai. Mosche lernte von den Eigenschaften des Berges
Sinai. Dieser wurde von Gʻtt für die Übergabe der Tora gewählt, gerade, weil er ein
einfacher Berg in der Wüste und nicht von spezieller Bedeutung war. Hätte sich nicht der
Berg Morija, auf dem die Akeda von Jitzchak stattgefunden hatte, besser geeignet? Weil
Mosche sich für ebenso unbedeutend wie den Berg Sinai hielt, wurde er von Gʻtt als würdig
erachtet, dem Volk die Tora zu überbringen (Rabbi Mosche Jechiel von Osarov).

Dies ist die Lehre des kleinen Alef: die Tora erschließt sich nur dem ganz, der bescheiden
und ohne Vorurteile an sie herantritt!